Nein, um Eigenlob verlegen war er nie, der in Berlin geborene Sohn einer Polin und eines Bündners: Sympathischer Grössenwahn, kombiniert mit derben Sprüchen, war neben rundlichen Formen ein Markenzeichen von Luigi (eigentlich: Lutz) Colani, dem diese Woche im Alter von 91 Jahren verstorbenen Stardesigner.
Colani hat so ziemlich alles designt – auch wenn der «3D-Philosoph» (Colani über Colani) den Begriff Designer hasste: Uniformen der Swissair, eine Flasche fürs Valser-Wasser, Toiletten und Teegeschirr, Fernseher und Züge, einen Sarg, Möbel, Städte, Tapeten – und Autos, Töffs und Lastwagen. Von anderen Autodesignern hielt er wenig: «Idioten» und «Vollidioten», deren «Rotz» aus «Deppenhand» schlicht «aussieht wie Scheisse».
Schimpfte leidenschaftlich
Ja, Colani konnte schimpfen wie ein Rohrspatz. «Bauhaus ist out, outer gehts nicht», liess er Architekten wissen, ärgerte sich über deutsche Toiletten («Wie kann so ein Idiot etwas eckig machen, wo ein runder Arsch draufkommt!»), entwarf ein (dort erfolglos getestetes) Kleinflugzeug «für die Superidioten von der Nasa» und nörgelte übers «Deppen-Theater» an Autosalons, vorbei an all den «Scheisskisten» und «Gestaltungsfummelchen». Er alleine sei «allen 30 Jahre voraus». Gefiel ihm etwas, wars, eigentlich logisch, von ihm kopiert. Stets hatte er alles als Erster gedacht und gestaltet. Verrückt, aber wahr: Sehr häufig stimmt das sogar.
Viele Ideen auf Rädern
Denn sein Eigenlob und seine Tiraden täuschten fast darüber hinweg, dass Colani als Designer eben tatsächlich ein Visionär und ein global höchst beachteter Pionier war. Auch in Sachen Autos. Nur mit einem bewies er eben wenig Fortune: reale Fahrzeuge. Sein VW-Polo-Entwurf von 1977, der aussah wie eine Comicfigur mit Spaghettisieb, stiess in der VW-Chefetage gelinde gesagt auf Zurückhaltung. Colani fauchte prompt zurück, der VW-Boss und sein Chefentwickler seien «Blechpfeifen».
Flops und Rekorde
Zu sehr ging Form vor Funktion: Das Formel-1-Team Eifelland Caravans liess Colani gar einen Rennwagen auf March-Chassis entwerfen. Der sah klasse aus, aber war mangels Abtrieb unfahrbar und rettete sich erst nach Umbauten in sechs von acht Rennen der 1972er-Saison ins Ziel. Für den legendären Schweizer Töff-Rennfahrer und -konstrukteur Fritz Egli aus Bettwil AG wiederum entwarf Colani die Egli-Colani – die 1986 tatsächlich einen Speed-Weltrekord von 272,414 km/h aufstellte. Denn gings um gute Aerodynamik und ergo dadurch erreichbaren Topspeed, war Colani tatsächlich super fit.
Glücklose Visionen
Als noch niemand von Leichtbau sprach, setzte er zudem auf Gewichtsdiät, und ehe wir das Wort Biodesign kannten, nahm er die Natur zum Vorbild. Colani hatte Visionen von Hybridautos und von der Überlegenheit der organischen Form. Aber eben: Von den windschlüpfigen Trucks, die Colani als Antwort auf die erste Ölkrise entwarf, rollten zwar ein paar Dutzend los. Aber die Chauffeure schwitzten dann im Sommer in einer Art rollendem Gewächshaus. Aber: Die Camions sparten tatsächlich Sprit und sind heute visionärer denn je.