Ein japanischer Prinz – charismatisch sein Auftritt, selbstbewusst der Blick und elegant sein güldenes Gewand des italienischen Blech-Couturiers Michelotti. Gestatten, 1960er Prince Skyline Sport Coupé. Rätselnd stehen wir in einer Lagerhalle, eine Autostunde von Tokios Stadtzentrum weg. Bitte wer? Prince? Nie gehört. Aber das ist in Nippon (dt. Japan, meist ausgesprochen «Nihon») der Normalfall. Ein echtes Autoland – voller Modelle, die bei uns niemand kennt.
«Prince war eine japanische Nobelmarke, die im Jahr 1966 in Nissan aufging», durchbricht Ryuji Nakayama (52) in stark akzentuiertem Englisch das Summen der Klimaanlage, während unser Blick die rund 400 wie Zinnsoldaten auf Pneus aufgereihte Preziosen zu begreifen versucht. Nakayama ist Hüter dieser Nissan Heritage Collection. Des historischen Gedächtnisses einer Marke, deren Story für uns gefühlt erst mit dem Schweizimport Ende der 1960er-Jahre beginnt.
Seit 1911 Autohersteller
Vor der Reise ins Auto-Rätselland gibt es Geschichtsunterricht: 1932 wachsen die japanischen Automarken Gorham (seit 1919) und DAT (1911) zu Datsun (von «DAT-son», dt. Sohn des DAT) zusammen. Der Datsun-Mutterkonzern benennt sich später in Nissan (Abkürzung von Nihon Sangyo) um und startet 1937 mit eigenen Autos ins Edelsegment – während Datsun für die günstigen Autos zuständig bleibt. Erst 1986 wird der Name Datsun zugunsten von Nissan endgültig aufgegeben – in den 2010er-Jahren wurde Datsun sogar mal wiederbelebt.
Wer weiss in Europa denn schon, dass in Japan der Datsun Sunny 1966 die Massenmotorisierung einläutete? Dass der Datsun 12 von 1933 den Erfolg seiner zwergenhaften Statur verdankte – quasi als Urahn der Kei-Cars? Neben ihm stehen Helden der Vergangenheit im kalten Neonlicht. Auch ein VW Santana – nur als Bild zwar, aber warum? Er wurde von Nissan in Japan einige Jahre in Lizenz gebaut. Die Ausstattungsversion heisst, kein Scherz, «Autobahn».
Ein Elektriker von 1947
Die Namen der Autos aus Blech tönen bizarrer: Fairlady, President und Pao, Figaro, Cedric oder Leopard. Aber auch bei uns hiessen Autos einst Isabella oder Admiral. Sogar ein Elektroauto ist da, bereits anno 1947 von der Nissan-Tochter Tama als Limousine und Pickup vermarktet. Dennoch – vieles bleibt uns mangels Vorwissen rätselhaft: Der Gang durch Nissans Sammlung ist wie das Lesen in einem zwar offenen, aber eben dann leider japanischen Buch. Anbei: Gegen Voranmeldung kann die Nissan Heritage Collection besichtigt werden.
Wir schaudern fröhlich angesichts eines Nissan Silvia von 1975 im Design der damaligen Radiowecker. Grinsen in uns hinein angesichts des Pao von 1989, einer Art Laubsägearbeit aus Blech – um zu erfahren, dass sein R4-Stil derart gut ankam, dass er verlost werden musste. Ein Gloria von 1970 erinnert uns, dass Kopieren in Asien als Ehrerbietung gilt: Er gleicht Pontiacs seiner Zeit. Umgekehrt beweist der 1984er Prairie, dass man auch zu innovativ sein kann. Er nahm den ersten Kompaktvan vorweg, war aber seiner Zeit zu weit voraus.
Anekdoten auf Japanisch
Ein Spalier bilden zwei Dutzend Skyline GT-R, Nachfahren des erwähnten Prince. Überhaupt sind Muskelspiele stark vertreten. Rallye- und GP-Gewinner aller Epochen erzählen mit konservierten Schrammen Anekdoten wie ein alter Rennfahrer vor dem Cheminée. Eines der kostbarsten Stücke: Flankiert von Rennbrüdern, mit denen Nissan in Le Mans auf Rang 3 bollerte, duckt sich der zwecks Homologation einzige je für die Strasse gebaute R390 GT1 von 1998: 1,14 Meter flach, 350 PS stark, eine siebenstellige Summe wert. Naja, theoretisch, würde er denn je verkauft.
Aber kein Geld der Welt kauft den schneidigen 240Z (Fairlady) von 1972 mit rotem Rundum-Drehlicht. Wir rätseln über die Schriftzeichen. «Kaiserliche Leibgarde» vielleicht – oder «Sushi-Kurier»? «Ka-Na-Gawa-Ken Kei-Satsu», klärt uns Nakayama über die Silben auf: Polizei (jp. Kaisatsu) der Präfektur Kanagawa. Ach so, na dann. Gelöste Rätsel sind irgendwie unromantisch.