Als der Motor endlich anspringt, bricht Panik aus. Strohhutträger schauen schockiert, Connaisseure pikiert, Weissbehoste ergreifen gleich die Flucht. Denn der Auspuff des pistaziengrünen Cadillac spuckt öligen Schmier. Rennfahrerlegende Derek Bell steht daneben und grinst.
Der piekfeine Rasen des Golfkurses von Pebble Beach verträgt keinen solchen Frevel. Seine 18 Löcher schmiegen sich in die Felsen der kalifornischen Pazifikküste, der legendäre 17-Mile-Drive schlängelt sich dran vorbei – und wenn irgendwo noch das Gesetz gilt, nachdem millionenschwere Deals vorab ein paar Runden Golf benötigen, dann hier. Seit 1950 wetteifern am letzten August-Wochenende im Rahmen der Monterey Car Week automobile Klassiker ums Krönchen des Schönsten.
Exklusives Klassentreffen
Tausende Blechverliebte und hunderte millionenschwere Sammler drängelten sich in diesem Jahr um die 200 Oldtimer. Die High Society aus Wirtschaft – Silicon Valley ist kaum zwei Stunden entfernt – und Show-Biz defiliert durch die Oldtimer-Reihen. Die ersten packen schon frühmorgens Klappstuhl und Schlafsack aus, um die «Dawn Patrol» nicht zu verpassen: die Einfahrt am frühen Morgen, bevor die Klassiker auf dem Grün verteilt werden. Unter den Juroren finden sich Motorsportgrössen, Designer und verdiente Manager der Autobranche – Pebble Beach ist auch ein Klassentreffen.
Lohnende Teilnahme
Eleganz, Alter und Seltenheit genügen für die Teilnahme allerdings nicht – es geht um Makellosigkeit im Auftritt, bei Zweibeinern und Vierrädrigem. Erstere polieren letzteres auf Hochglanz, bis die Juroren in Sicht kommen. Denn die Mühe könnte sich in barer Münze zurückzahlen. Wer in einer der 29 Kategorien siegt oder gar die Trophäe des «Best of Show» abräumt, darf sich über happigen Wertzuwachs für seinen Klassiker freuen. Preis oder nicht Preis – der Juryentscheid kann einem Sammler Millionen in die Kasse spülen, sollte er das Siegerauto verkaufen.
Perlen der Auto-Geschichte
In diesem Jahr machte ein Alfa Romeo 8C 2900 von 1937 das Rennen, zum dritten Mal bei 68 Auflagen des Concours d'Elegance. Das Einzelstück zeichnet eine Hülle des italienischen Carossiers Touring aus – und seine Geschichte als Showcar an Ausstellungen in Paris und Berlin. Nicht das einzige Highlight in der Sammlung des aktuellen Eigners: Der ehemalige Investmentbroker David Sydorick aus Beverly Hills soll mit einem 1947er Spyder Corsa einen der ältesten Ferraris überhaupt besitzen.
Wie in jedem Jahr, gab es auch 2018 zahlreiche Sonderkategorien. Ein Rudel OSCAs beispielsweise, giftige Rennwagen, die von den Maserati-Brüdern ab 1947 von ihrer Officine Specializzate Construzione Automobili unter anderem für die 24 Stunden von Le Mans, die Mille Miglia oder die Targa Florio gebaut wurden. Standesgemässe Bentleys oder Rolls-Royce, in denen sich indische Rajs chauffieren liessen. Oder drei offene Scarab, in den 1950ern von Lance Reventlow gebaut, dem hoffnungsvollen Sprössling der Woolworth-Erbin Barbara Hutton. Und natürlich grossformatige US-Strassenkreuzer, darunter zwei von Präsident Dwight D. Eisenhower genutzte Cadillacs und allein 13 von insgesamt nur 51 gebauten Tucker 48 Sedan.
Die Angst vorm Fahren
Die meisten Oldies rollen in einem Zustand auf das Grün, der Enzo Ferrari oder Alfieri Maserati die Tränen in die Augen treiben würde. Weil ihre Mechaniker solche Präzision ab Werk niemals hingebracht hätten. Den Motor anlassen? Das wagt mancher Eigner nur, wenn es unvermeidlich ist, wie bei der Parade vor dem Publikum. Öl auf dem Motorblock oder tropfend auf dem Rasen – das geht gar nicht. Pebble Beach gilt jedoch nicht der ganzen Szene als Mittelpunkt des Universums. Wer Oldtimer lieber auf der Strasse erlebt, der wendet sich ob mancher Restauration zur Leblosigkeit mit Grausen ab. Seit 2001 gibt der Veranstalter immerhin Gegensteuer mit zwei Klassen für Unrestauriertes.
Besuch aus dem Heute
Aber die Monterey Car Week ist mehr als nur das Schaulaufen von Pebble Beach. Bei «The Quail» werden vor allem europäische Klassiker gefeiert, «Legends of Autobahn» präsentiert deutsche Ingenieurskunst und der «Concours de Lemons» zeigt jene Hässlichkeiten, die man besser in der Garage verstecken sollte. Auf der «Concept Lawn» von Pebble Beach locken aktuelle Concept Cars. Natürlich, der Concours ist auch Bühne für Zeitgenössisches. Wie die Autoindustrie inzwischen die meisten Klassiker-Veranstaltungen für sich gekapert hat.
Gefahren wird aber auch – auf der nahe gelegenen Rennpiste von Laguna Seca. Hier fegen sich Eigner historischer Boliden ohne Rücksicht auf Kurven und Kiesbett um die Ohren. Aber natürlich – mit Stil.
In Pebble Beach gehts um endlose Hauben, geschwungene Kotflügel und hinreissende Wölbungen. Und dann dazwischen dieses Auto: Extreme Keilform, rasiermesserscharfe Linien – der Ferrari 512 S Modulo wirkt zwischen den üppigen Strassenkreuzern wie gerade aus einer anderen Galaxis gelandet. Pininfarinas Chefdesigner Paolo Martin faltete die futuristische Hülle um eines von 25 für den Rennsport gebauten 512-S-Chassis und stellte das Concept Car 1970 am Genfer Autosalon vor. Bei knapp 94 Zentimetern Höhe blieb kein Platz für Türen – den Zweiplätzer entert man von oben und schiebt dazu das Oberteil nach vorne. In 3,1 Sekunden sollte der V12-Mittelmotor den Modulo auf 100 und weiter bis 350 km/h treiben. Ausprobiert hats niemand, weil die Verkleidung der Vorderräder kaum Lenkeinschlag zulässt. 2014 gab Ferrari den Modulo für einen unbekannten Preis an den US-Millionär James Glickenhaus weiter. Der liess den Donnerkeil nun restaurieren und den V12 reanimieren. Jetzt kann man den Modulo fahren. Zumindest geradeaus.
In Pebble Beach gehts um endlose Hauben, geschwungene Kotflügel und hinreissende Wölbungen. Und dann dazwischen dieses Auto: Extreme Keilform, rasiermesserscharfe Linien – der Ferrari 512 S Modulo wirkt zwischen den üppigen Strassenkreuzern wie gerade aus einer anderen Galaxis gelandet. Pininfarinas Chefdesigner Paolo Martin faltete die futuristische Hülle um eines von 25 für den Rennsport gebauten 512-S-Chassis und stellte das Concept Car 1970 am Genfer Autosalon vor. Bei knapp 94 Zentimetern Höhe blieb kein Platz für Türen – den Zweiplätzer entert man von oben und schiebt dazu das Oberteil nach vorne. In 3,1 Sekunden sollte der V12-Mittelmotor den Modulo auf 100 und weiter bis 350 km/h treiben. Ausprobiert hats niemand, weil die Verkleidung der Vorderräder kaum Lenkeinschlag zulässt. 2014 gab Ferrari den Modulo für einen unbekannten Preis an den US-Millionär James Glickenhaus weiter. Der liess den Donnerkeil nun restaurieren und den V12 reanimieren. Jetzt kann man den Modulo fahren. Zumindest geradeaus.