Volkswagen hatte es nie so mit Sportwagen. Klar gabs den Golf GTI, vorher schon den Scirocco – doch richtige Sportwagen waren sie beide nicht. Mit dem Corrado wollte VW dann den grossen Schritt nach oben machen. Anfang der 1980er-Jahre als Nachfolger des Scirocco II geplant, positionierte man den Corrado wegen seiner aufwendigen Technik und besserer Ertragschancen höher und bot ihn von 1988 bis 1992 sogar neben dem Scirocco an.
Einst schnellster Serien-VW
Der Corrado war bei seiner Premiere in Jahre 1988 ein Blickfang. Ein mutig gezeichnetes 2+2-Coupé aus der Feder von Chefdesigner Herbert Schäfer, das aus seinem sportlichen Anspruch keinen Hehl machte. Die technikverliebten Entwickler wollten gegenüber dem Designteam nicht zurückstehen und so hatte der Neuling, der bei Karmann in Osnabrück produziert wurde, allerhand Innovationen im Gepäck – auch wenn unterm Blech eigentlich Technik und Antrieb des Golf III arbeiteten. Erstmals wurden bei einem VW die Stossstangen in Wagenfarbe lackiert und der vordere Kotflügel war das erste per Computer entwickelte Bauteil der Wolfsburger.
Topmodell war der VR6, der von einem ungewöhnlich konstruierten Sechszylinder mit 2,8 Litern Hubraum und 174 PS (128 kW) angetrieben wurde. Später gabs einen Nachschlag auf 2,9 Liter Hubraum und 190 PS (140 kW). Anfangs machte der Corrado aber nicht als VR6 von sich reden, sondern als G60: Dieser presste mittels des G-Laders, einer Art Kompressor, aus seinem 1,8-Liter-Vierzylinder stattliche 160 PS (118 kW) heraus und machte den Tunern die Leistungssteigerung besonders einfach. Mit 225 km/h Spitze war der VW Corrado G60 der bis dahin schnellste in Serie produzierte VW. Erstmals gabs sogar einen elektrisch ausfahrbaren Heckspoiler, der den Auftrieb an der Hinterachse um mehr als 60 Prozent reduzierte. Der VR6 lief auf der Autobahn später gar rund 235 km/h.
Der Allrad fehlte
Im Innenraum des Corrado warteten wohl konturierte Sportsitze vorne wie hinten und das übersichtliche Cockpit des damaligen Passats. Mit der Modellpflege im Jahre 1993 wurden die grossen Kippschalter durch Drucktaster ersetzt. Auf Wunsch gabs schickes Leder in Türen und auf den dann auch beheizten Sitzen.
Das Fahrwerk war stramm, aber nicht sportlich und aufgrund der hohen Motorleistung zehren die Antriebskräfte in der Lenkung, wenn man flotter unterwegs ist. Im Gegensatz zum VW Golf VR6 war der Corrado zwar ebenfalls wahlweise mit Fünfgang-Handschaltung oder Getriebeautomatik zu bekommen. Doch der Allradantrieb der späten VR6-Golf-Synchro-Modelle blieb ihm verwehrt. Bis 1995 wurden vom VW Corrado insgesamt 97'535 Stück verkauft. Ein sportlicher Imageträger, der VW gerade heute gut zu Gesicht stehen würde.
Geheimtipp mit Seltenheitswert
Auf dem Klassik- und Youngtimermarkt gibts aktuell nur eine begrenzte Zahl von Angeboten. Vom Basismodell mit 115 PS (ab ca. 5000 Franken) sollte man dabei ebenso die Finger lassen wie vom schnellen, aber nicht gerade belastbaren G60. Am anderen Ende des Spektrums finden sich komplett ausgestattete VR6 im Sammlerzustand für mehr als 20'000 Franken – zu viel, wie wir finden. Doch wer jetzt ein gutes VR6-Modell für um die 10'000 bis 13'000 Franken ergattert, der dürfte sich über steigende Preise freuen.
Neben Rost und Elektrik sollte man ein waches Auge auf Zylinderkopfdichtung und Kettenspanner haben und Spurstangen, Antriebswellen und Bremsen genau checken. Unser Fazit: Wer einen ungewöhnlichen Kompaktsportler mit Seltenheitswert sowie ordentlich Dampf unter der Haube fahren will und sein Herz an die späten 80er-, frühen 90er-Jahre verloren hat, dem dürfte der VW Corrado gut passen.