Gary Allen, Master Trooper der Colorado State Patrol, hat Tränen in den Augen. Alle nennen ihn nur «Bear», aber beim Abschied wirds für ihn emotional. Tosender Applaus der Colorado-Grand-Teilnehmer im Hotelsaal in Vail (Colorado, USA). Allen war bei der diesjährigen Austragung der Oldtimer-Rallye zum letzten Mal dabei – nach 17 Teilnahmen. Der Polizist geht kommenden Juni in den Ruhestand. Die State Trooper gehören fest dazu, wenn es an vier Tagen knapp 1800 Kilometer quer durch die Rocky Mountains geht. Die Motors, wie die Polizisten der Colorado State Control im Teilnehmerfeld genannt werden, begleiten die Rallye von der ersten bis zur letzten Meile. «Das Ganze ist wie eine grosse Familie», erzählt der abtretende Allen, «für uns ist das mehr als nur ein Job. Es macht jede Menge Spass.»
Ein Zeichen mehr dafür, dass sich die Colorado Grand mit keiner anderen Oldtimerrallye sonst vergleichen lässt. Jedes Jahr findet sie im herbstlichen Colorado statt und lockt nicht nur Oldiefans aus Nordamerika und Mexiko. Auch der eine oder andere Europäer hat mittlerweile vom spektakulären Klassikevent gehört, den der Ruf umgibt, dass es keine Tempobeschränkungen gebe. «Natürlich halten wir uns an die geltenden Tempolimits», klärt Jorgen Christiansen, einer der Veranstalter, auf. «Doch die Trooper geben einem bei freier Strecke immer wieder die Möglichkeit, das eigene Auto entsprechend auszufahren ...»
Flott fahren, aber ohne Zeitnahme
Dass die Rallye bei ihrer 32. Austragung doppelt ausgebucht war, zeigt, dass sie mit ihrem einmaligen Charakter und unvergleichlich lässigen Charme ankommt. Dieses Jahr wurde die Zahl der Teilnehmer coronabedingt von über 120 auf knapp 100 Fahrzeuge begrenzt. Teilnehmen dürfen traditionell Oldtimer bis Jahrgang 1960. Anders als die Mille Miglia in Italien oder die Ennstal Classic in Österreich ist die Colorado Grand keine Gleichmässigkeitsfahrt mit Zeitnahme an Wertungsprüfungen. In den Rockys fährt man allein aus Genuss und ohne zwanghaft sportlichen Anspruch – aber wenn möglich schon sehr flott auf Bergstrassen zwischen 1700 und 4000 Metern Höhe.
Für viele der Jahres-Höhepunkt
Die Fahrzeugpalette der Teilnehmer ist nicht weniger spektakulär als die Strecke. Da es hoch hinaus geht und scharf gefahren wird, schadet entsprechend üppige Motorleistung nicht. Mit den staatlichen Ordnungshütern als Begleitschutz wird zumeist im oberen Drehzahlbereich gefahren, wenn es hinauf in die alte Goldgräberstadt Leadville geht, man die massiven Felswände rund um Grand Junction erklimmt oder aus dem Skiparadies Steamboat über die Hochebenen nach Wyoming düst.
Wo der Tross auch hält – bei den Zwischenstopps in Walden, Encampment, Salida oder Meeker –, ist der familiäre Charakter der Veranstaltung unvergleichlich. Egal ob millionenschwere Autosammler, lokale Polizisten, Bürgermeister, begeisterte Kids oder die vielen fleissigen Rallye-Helfer – man versteht sich prächtig und erfreut sich an den historischen Autos. Da dauert jede Pause oft etwas länger – ohne Zeitvorgaben allerdings ein Genuss. Für viele der kleineren Orte ist die Durchfahrt des Konvois mit entsprechendem Mittags- oder Kaffeestopp denn auch der Höhepunkt des gesamten Jahres.
Hochkarätiges Teilnehmerfeld
Die Colorado Grand ist der perfekte Anlass, um seinem alten Sport- oder Tourenwagen mal so richtig Auslauf zu gönnen. «You will have enough possibility to stretch your legs», sagt Piney Harris, eine State Trooper, entspannt. Die Beine strecken, indem man das Gaspedal mal durchdrückt. Auffallend viele Mercedes sind heuer dabei. Doch neben den Flügeltürern und offenen Mercedes 300 SL sorgen auch ein Aston Martin DB4 GT, Porsche 356, Lancia Aurelia oder Ferrari 250 SWB für ein exklusives Starterfeld. Einige Teilnehmer sind gar mit Rennboliden wie Ferrari Testa Rossa 59, Maserati Tipo oder Jaguar C-Type unterwegs. Und wo begegnet man in freier Wildbahn schon einem 1928er Bentley 4 ½ Litre, einem 1958er Scarab MK II oder einem 1955er Kurtis 500 KK? Viele dieser Klassiker im Feld sind millionenschwer.
Trotz Begleitschutz Tempobussen
Dass die Trooper seit dem Start der Rallye vor über drei Jahrzehnten mit ihren nicht minder sportlichen Motorrädern zum Tross dazugehören, hat einen weiteren guten Grund. Die Rallye dient nicht nur der Fahrfreude der Teilnehmer, sondern auch einem wohltätigen Zweck. Im Laufe der Jahre wurden über 7,2 Millionen US-Dollar gespendet – für Kindergärten, Krankenhäuser oder Bedürftige. Natürlich, wie man es in den USA kennt, öffentlich mit Nennung der Höhe des Betrags und der Begünstigten. Davon profitieren nicht zuletzt auch die Witwen und Waisen der State Trooper, die in den letzten Jahren allein durch die Rallye zwei Millionen US-Dollar erhielten. «Gerade deshalb sind wir dankbar, ein Teil dieser Rallye und der grossen Colorado-Grand-Familie zu sein», sagt Piney Harris. Man sollte jedoch wissen, wo man seinem Klassiker während der Rallye flotten Auslauf gönnt. Denn die lokalen Sheriffs nehmen die Rallyeteilnehmer nur allzu gerne aufs Korn – und einmal per Radar erfasst, können es dann auch die Trooper auf ihren Motorrädern nicht mehr richten.