Exklusiv-Interview mit Audi-CEO Rupert Stadler
«Wer hats erfunden?»

Audi zeigt am Genfer Autosalon den Supersportler R8 und die innovative Plug-in-Hybrid-Studie Prologue-Avant. Und die nächsten Neuheiten stehen schon bereit. So verspricht Audi-Boss Stadler im exklusiven SonntagsBlick-Interview für 2017 das autonome Auto.
Publiziert: 08.03.2015 um 00:26 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:25 Uhr
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Audi-CEO Rupert Stadler
Interview Urs Bärtschi

Herr Stadler, wie stark schätzen Sie die Marke Audi heute ein?
Rupert Stadler:
Wir stehen glanzvoller da denn je. Audi hat sich in den letzten zehn Jahren sehr positiv entwickelt – mich freut, dass das vor allen Dingen unsere Kunden so sehen. Und es geht weiter. In Europa sind wir sehr gut etabliert und werden als sympathische, bodenständige Marke wahrgenommen. In China führen wir als Premiummarke Nummer 1 den Wettbewerb an. Dort haben wir uns schon vor über 25 Jahren stark engagiert und Pionierarbeit geleistet. Wir werden dort auch als diejenigen wahrgenommen, die das Premium-Auto nach China gebracht haben. Und auch in den USA gibt es keinen Grund, warum Audi langfristig nicht dort sein soll, wo unsere Konkurrenten heute stehen.

Trotzdem bröckelt ihr Ruf 'Vorsprung durch Technik' etwas...
Das sehe ich nicht so. Hier beim Autosalon in Genf haben wir den neuen Q7 e-tron stehen – keiner unserer Wettbewerber hat so etwas und dann noch mit Quattro-Antrieb. Er ist bis zu 325 Kilo leichter als sein Vorgänger. Ohne Vorsprung durch Technik kriegen Sie das nicht einfach aus dem Ärmel geschüttelt! Unser neuer R8 hat ein Multimaterialkonzept mit unterschiedlichen Alulegierungen und Karbon. Wir beherrschen die Werkstoffe und haben beim pilotierten Fahren und der Lichttechnologie die Nase vorn. Und da gibt es noch etliche Vorsprung-Themen mehr, die ich gar nicht alle aufzählen will.

VW-Konzernchef Martin Winterkorn sagte selbst, vielleicht sei der Konzern bei Audi etwas zu stark auf die Bremse getreten.
Ich kenne diese Aussage nicht. Fakt ist, dass Audi im vergangenen Jahrzehnt enorm gewachsen ist und über eine Million neue Kunden hinzugewonnen hat. Mir ist wichtig, dass wir dem Kunden attraktive Produkte bieten, gespickt mit zukunftsweisender Technologie. Mit der zweiten Zündstufe unseres Modellfeuerwerks werden wir uns mit dem Längsbaukasten noch einmal neu positionieren. Ein Baukasten, der alles kann, CO2-Ziele erreichen, Fahrassistenzsysteme, automatisches Parken, autonomes Fahren oder die verschiedenen Antriebstechnologien wie Hybrid, Plug-in-Hybrid, rein elektrisch oder eine Brennstoffzelle integrieren. Das muss der Längsbaukasten alles können. Und das ist eine immense Herausforderung für unsere Entwickler wie auch für das gesamte Audi-Team. Ich bin mir sicher, dass uns das gelingen wird. Und das sieht auch Martin Winterkorn so. Als Aufsichtsratsvorsitzender von Audi hat er unser Investitionsprogramm von 24 Milliarden Euro bis 2019 für neue Produkte, neue Technologien, einen Kapazitätsausbau und die Positionierung der Marke gebilligt. Das ist ein klares Votum.

Ich nenne Ihnen ein Detail für fehlenden Vorsprung durch Technik. Beim A3 e-tron stört mich die Klappe vorne für den Ladestecker mit dem billig wirkenden Hebel.
Wir haben dieses Bauteil bereits geändert, weil es einigen Kunden so ging wie Ihnen. Aber dieser berechtigte Einwand darf den Blick für das grosse Ganze nicht verstellen. Wir wollten die ersten sein mit einem überzeugenden Plug-in-Hybrid im Premium-Segment. Das hat weder Mercedes noch BMW. So kann man beim Premium-Plug-in-Hybrid sagen: «Wer hat‘s erfunden?» Audi!

Ein zweites Beispiel sind nur vier von fünf Sterne beim NCAP-Crashtest des neuen Audi TT.
Bedenken Sie, wie die vier Sterne zustande gekommen sind. Es gab Abzüge für Fussgängerschutz und Kindersitze. Das Auto ist ein 2+2-Sitzer. Da fällt es konzeptbedingt schwer, gleich mehrere Kindersitze auf der Rückbank zu integrieren.

Dann war für Sie dieses Resultat schon im Vorfeld klar?
Wenn die Crash-Kriterien in einzelnen Punkten drastisch verschärft werden und das Fahrzeugkonzept anders ausgerichtet ist, entsteht eine nahezu unlösbare Aufgabe. Das ist wie im Zehnkampf. Oft entscheiden Hundertstel oder Zentimeter. Zum Schluss zählt für einen exzellenten Athleten aber die Summe aller Eigenschaften.

Die Premium-Marken Audi, BMW und Mercedes bieten sich gerade in der Schweiz einen Grosskampf, wobei BMW nach langer Zeit Audi an der Spitze abgelöst hat. Und Mercedes rückt mit Riesenschritten näher. Wie beurteilen Sie die Situation?
Der Kampf um Marktanteile ist in verschiedenen Ländern sehr intensiv. In der Schweiz vielleicht etwas intensiver und aggressiver als wir uns das vorgestellt haben. Dazu kommt, dass die Schweiz CO2-Vorschriften hat, bei denen noch offen ist, welcher Marke sie helfen. Aber mir ist da nicht bange.

Sie haben für dieses Jahr ein Neuheitenfeuerwerk angekündigt. Was dürfen wir von Audi erwarten?
Wir haben mit dem Q7 e-tron mit 6-Zylinder-Diesel sowie -Benziner für die USA und China begonnen – alle mit Quattro-Antrieb. Damit wollen wir im Top-SUV-Segment wieder die Nase vorn haben. Hier in Genf stellen wir unsere R8-Familie vor: Der LMS für unseren sehr erfolgreichen Einsatz im Kundensport. Der sehr leistungsstarke R8 fährt sich superagil und präzise – wirklich ein Generationensprung. Und der rein elektrische R8 e-tron, dessen Technologie wir als Speerspitze weiterentwickeln und auch für kommende Modelle mit reinem Elektroantrieb nutzen werden. Mit dem RS3 Sportback mit 367 PS kommt was Knackiges im A-Segment. Das tut uns immer gut und freut auch den Schweizer Kunden. Dann folgen in der zweiten Jahreshälfte 2015 die A4 Limousine und der A4 Avant. Im nächsten Jahr folgen mit A5 Coupé und A5 Cabrio sowie der kommenden Generation des Q5 und dem neuen Q1 weitere Highlights.

Gerade beim R8 e-tron stellt sich die Frage, warum Audi so spät dran ist mit dem Elektroauto?
Weil wir in der ersten Entwicklungsphase der Elektromobilität vor allem auf den Plug-in-Hybrid-Antrieb setzen. Damit sind wir am nächsten beim Kunden und dessen Ansprüchen. Dieser kann in der Innenstadt elektrisch und CO2-neutral fahren, hat nie ein Reichweitenproblem und kann die Batterieenergie sogar als Boost mitnutzen. Also hat der Kunde Sportlichkeit, Dynamik und Nachhaltigkeit – alles was er möchte. Er kann elektrisch fahren, muss aber seine Gewohnheiten nicht ändern.

Ab 2020 gilt die strenge Vorschrift von 95 g CO2-Ausstoss pro Kilometer. Sie sprechen aber auch von viel Leistung – eine Zwickmühle?
Ja, 95 g CO2 als Flottenverbrauch ist für unsere Branche ein sehr anspruchsvolles Ziel. Aber Audi hat die Technologien, die Produkte und Modelle, um dieses bis 2020 zu erfüllen.

Und die Arznei ist der Plug-in-Hybrid?
Es gibt keine bessere Alternative! Ich wurde oft dafür kritisiert, aber es hat sich mittlerweile in der Industrie durchgesetzt, dass der Plug-in-Hybrid der richtige Ansatz ist. Denn jeder unserer Wettbewerber setzt nun auf diese Technologie. Wir sind aber schon weiter: Nach unserem A3 e-tron lancieren wir den Q7 e-tron und dann folgen A8, A6 und Q5, womit wir unsere Modellpalette breit aufgestellt haben.

Und dann werden die Kosten sinken...
Davon gehen wir aus.

In den Grossstädten und auch in der Schweiz wollen immer weniger Junge den Fahrausweis möglichst schnell machen. Ist der Autoenthusiast eine aussterbende Spezies?
Das glaube ich nicht. Es gibt viele junge Menschen, die sich absolut fürs Auto interessieren und der ganze Hype um Google und Apple macht das Auto wieder so richtig sexy, weil es wieder ins Zentrum des Geschehens rückt. Junge Menschen, die es heute gewohnt sind mit dem Smartphone umzugehen, erhalten auch im Auto komplette Vernetzung, W-Lan-Anschluss und sind so mit ihren Freunden verbunden. Mobilität wird immer ein wichtiges Grundbedürfnis bleiben.

Kommen wir zum Schluss noch zum Thema Motorsport: Müsste Audi als Le-Mans-Seriensieger nicht längst in die Königsklasse Formel 1 aufsteigen?
Wir haben in letzten Jahren immer wieder bewiesen, dass wir technologisch gar nicht so weit von der Formel 1 weg sind. Wir haben mit Le Mans einen idealen Rennplatz für den Transfer von der Rennstrecke in die Serie gefunden. Ich denke da an Leichtbaumaterialien, Antriebstechnologien aber auch die Zuverlässigkeit von Materialien. Am Wettbewerb hat es nicht gemangelt, ob das Porsche, Peugeot, Toyota oder jetzt mit Nissan ein weiterer Herausforderer sind. Insofern haben wir unser Motorsportprogramm für die nächsten paar Jahre klar festgelegt. Wir bleiben in Le Mans und treten an, um zu gewinnen.

Und worüber freuen Sie sich mehr – über einen Le Mans-Sieg von Audi oder wenn Bayern München die Champions League gewinnt?
Ich will beides.

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