Abarth Sonderausstellung am Autosalon
Der Magier und seine grossartigen Zwerge

Vor 70 Jahren gründete Carlo Abarth seine eigene Firma. Er war eitel, immer gut gekleidet – und machte Abarth zu einer der erfolgreichsten Sportmarken.
Publiziert: 11.03.2019 um 18:21 Uhr
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Aktualisiert: 30.11.2022 um 18:20 Uhr
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Rekordwagen: Fiat Abarth 500 Record Pininfarina (1958).
Foto: ZVG
Peter Ruch

Carlo Abarth, eigentlich Karl, hatte am 15. November 1908 in Wien als Sohn eines österreichischen Offiziers und der Tochter eines tschechischen Textilindustriellen das Licht der Welt erblickt. Er war ein ausgezeichneter Sportler, erst Radrennfahrer, dann einer der erfolgreichsten Töffrennfahrer Europas. Noch im Zweiten Weltkrieg zog er nach Italien, nach Meran, und kam nach Kriegsende erst in Kontakt mit Cisitalia, dann auch mit Porsche. Als Cisitalia, wo er als technischer Leiter der Rennabteilung wirkte, in den Konkurs schlitterte, musste sich Carlo Abarth auf seine eigenen Füsse stellen – und tat dies im Zeichen des Skorpions, seines Sternzeichens. Mit Hilfe der Familie Scagliarini gründete er am 15. April 1949 seine eigene Firma, die ihren ersten Sitz noch in Bologna hatte, aber wenige Wochen später an die Via Trecate 10 in Turin umzog.

Das Marketing-Genie

Sonderausstellung 70 Jahre Abarth

Mit einer grossen Sonderausstellung gratuliert die Geneva Inter­national Motor Show der legendären italienischen Marke Abarth zum 70. Geburtstag und zeigt in Halle 6 rund 20 der schönsten Abarth-Fahrzeuge. Von den kleinen, die Ende der 1950er auf Basis von Fiat 500 und 600 entstanden und bis weit in die 1970er ihre Rennklassen dominierten, über den von Vignale eingekleideten ­Abarth 205 aus dem Jahre 1949 bis zum 2000 OT Periscopo, einem der schönsten Rennwagen seiner Zeit. Die meisten in Genf ausgestellten Fahrzeuge stammen aus einer Schweizer Privatsammlung.

Mit einer grossen Sonderausstellung gratuliert die Geneva Inter­national Motor Show der legendären italienischen Marke Abarth zum 70. Geburtstag und zeigt in Halle 6 rund 20 der schönsten Abarth-Fahrzeuge. Von den kleinen, die Ende der 1950er auf Basis von Fiat 500 und 600 entstanden und bis weit in die 1970er ihre Rennklassen dominierten, über den von Vignale eingekleideten ­Abarth 205 aus dem Jahre 1949 bis zum 2000 OT Periscopo, einem der schönsten Rennwagen seiner Zeit. Die meisten in Genf ausgestellten Fahrzeuge stammen aus einer Schweizer Privatsammlung.

Schon damals gab es zwei Abteilungen: die Squadra Abarth, die sich um den Rennsport kümmerte; und jene Abteilung, die Auspuffanlagen und Ansaugkrümmer produzierte. Diese Zauberröhren bildeten immer das Rückgrat der Unternehmungen von Abarth. In den 1960er-Jahren bauten über 400 Mitarbeiter mehr als 300'000 Exemplare pro Jahr. Schon damals zeigte sich, dass Abarth auch ein Marketing-Genie war: Er liess seine auch optisch schönen Töpfe nicht nur über Autowerkstätten vertreiben, sondern stellte sie auch in Modegeschäften aus. Abarth wusste zudem um die mediale Wirkung von Rekordfahrten (siehe Box unten). So schraubte 1956 ein von Franco Scaglione auf Basis eines Fiat 600 entworfener Abarth-Einsitzer den 24-Stunden-Weltrekord auf sagenhafte 3743,6 Kilometer, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 155,985 km/h entsprach. Im Sommer 1965 setzte sich Carlo Abarth selbst auf Diät, nahm über 30 Kilo ab, damit er ins Cockpit eines Monoposto passte, und fuhr als 57-Jähriger höchstpersönlich den 100. internationalen Rekord für seine eigene Marke ein.

Der Fiat-Deal

Nachdem sich Abarth bis Mitte der 1950er-Jahre vor allem mit Kleinserien und Einzelstücken (auch für Ferrari und Alfa Romeo) einen Namen gemacht hatte, bedeutete die Vorstellung des Fiat 600 am Genfer Salon im März 1955 die grosse Wende. Dieser kleine Wagen sollte für die nächsten mehr als 15 Jahre die Grundlage aller Rennsportaktivitäten werden – und bescherte Abarth 1958 einen ausgezeichneten Vertrag mit Fiat, der alle Siege, die mit Fiat-Produkten erzielt werden konnten, mit einem namhaften Betrag (je nach Bedeutung der Veranstaltung) belohnte. Es heisst, Carlo Abarth habe jeweils am Montag ausgerechnet, wie viele Siege seine Fahrzeuge am Wochenende eingefahren hatten, um dann gleich die Rechnung an Fiat zu schicken. Bis Anfang der 1970er-Jahre, als Carlo Abarth sein Unternehmen an Fiat verkaufte, kamen sechs WM- und acht EM-Titel, fünf Weltrekorde, 113 internationale Rekorde, zahlreiche Landesmeisterschaften und über 7000 Rennsiege zusammen.

Zitate über den Meister

Carlo Abarth war ein aussergewöhnlicher Mann. «Ein irrer Typ war das», beschrieb ihn Werksfahrer Kurt Ahrens später, «das war einfach immer grande casino.» Der Journalist Eckhard Schimpf wurde etwas deutlicher: «Nobler als Carlo Abarth mit seinem akkuraten Mittelscheitel war im Fahrerlager keiner. In der lärmenden Motorsportwelt der 1960er-Jahre wirkte der stattliche Snob mit seinen gelben Lederhandschuhen wie ein Pfau im Hühnerhof.» Dieter Quester, ebenfalls ein ehemaliger Werksfahrer: «Der Mann besass eine derartige Autorität, dass man sich nicht den geringsten Scherz erlauben durfte. Ich hatte immer das Gefühl, bei Abarth-Einsätzen nicht unter Leistungsdruck zu stehen, sondern viel mehr unter Erziehungsdruck.» Doch Quester sagte auch: «Er hatte immer die schönsten Autos.»

Sein Verhältnis zu Italien

Obwohl Karl Abarth nach 1945 fast ausschliesslich in Italien lebte, wurde er der italienischen Sprache nie so richtig mächtig. Er war deshalb unbedingt auf seine Sekretärin Evangelina Isandoro angewiesen. Auch seine zweite Frau Nadina und seine spätere Begleiterin Annelies sprachen deutlich besser Italienisch als er. Abarth meinte dazu nur: «Ich brauche nicht wie ein Einheimischer Italienisch zu sprechen. Es reicht völlig, dass man mich versteht. Viel wichtiger ist es, dass ich Italien liebe. Ich möchte nirgendwo anders leben – und deshalb akzeptieren mich die Leute hier so, wie ich bin.» So sehr Abarth Italien liebte, so wenig schätzte er italienische Fahrer: «Italienische Fahrer haben einfach nicht das Zeug zum Profi. Sie fahren Rennen nur zum Spass, einfach so.» Es gibt noch so manchen bekannten Ausspruch von Abarth, etwa: «Fahrer mit Brillen sehen schlechter, deshalb bremsen sie auch vor Kurven später – und sind deshalb schneller.» Gerne stand er an der Rennstrecke und dirigierte seine Piloten über den Kurs wie Herbert von Karajan seine Musiker. Einmal liess er in einer Kurve Zeitungen auslegen und hiess den Fahrer, sie immer genau in der Mitte zu überfahren.

Lücken im Palmares

Es heisst, Carlo Abarth habe darunter gelitten, dass er in den höchsten Rennsportkategorien mit seinen Fahrzeugen nie grosse Siege erzielen konnte. Dabei waren seine Prototypen oft schneller als die Formel 1 – und Abarth wurde von seinen Fahrern im Gegensatz zu anderen Teamchefs absolut respektiert. Wie ein Dirigent stand er an der Rennstrecke und führte seine Fahrer zum Sieg, weil er genau wusste, was möglich war, was er seinen Piloten und vor allem seinen in allen Details extrem sauber konstruierten Fahrzeugen zutrauen konnte. Es hätten auch weit mehr Siege werden können, wenn nicht oft neue Reglemente erfunden worden wären, um die Überlegenheit der Abarth einzubremsen. Vielleicht wäre für Carlo Abarth mit seinem Sechsliter-V12 gar ein Sieg bei den 24 Stunden von Le Mans möglich gewesen, doch dann kam in letzter Minute eine Hubraumbeschränkung (von der erstaunlicherweise nur Porsche wusste), und die Träume zerschlugen sich. Ach ja: Auch Ferrari war Abarth-Kunde – die Auspuffanlagen des Magiers sorgten bei vielen Modellen für den richtigen Sound.

Der Verkaufe

Zwar waren Abarths Rennwagen Anfang der 1970er-Jahre weiterhin erfolgreich. Doch Fiat wollte aussteigen, keine Rennen mehr – und vor allem nicht mehr für die Abarth-Rennsiege bezahlen. Die Verhandlungen von Carlo Abarth mit Fiat über den Verkauf seiner Marke liefen dann aber gar nicht so, wie er es erwartet hatte. Fiat drückte den Preis massiv, mit der Begründung, man brauche ja keine Rennabteilung. Über den genauen Betrag wurde Stillschweigen vereinbart. Das enttäuschte Carlo Abarth derart, dass er sämtliches Rennmaterial an Vincenzo Osella verschenkte. Als Fiat nach den Sommerferien 1971 in die Corso Marche einzog, waren die ehemaligen Abarth-Hallen komplett leer. Osella gewann mit dem Abarth-Material 1972 den Marken-WM-Titel in der Zweiliterklasse sowie die hoch angesehene italienische Tourenwagen-Meisterschaft.

Carlo Abarth verstarb am 24. Oktober 1979 in den Armen seiner dritten Frau Annelies nahe Wien an Krebs. Fiat liess vor wenigen Jahren seine Marke neu aufleben. Nicht zuletzt deshalb bleibt wahr, was Carlo Abarth einst selbst gesagt hatte: «Nur durch Ignoranz kann mein Name in Vergessenheit geraten.»

Carlo Abarth und ...

... die Rekorde

Nachdem sich Karl Abarth, wie er 1930 noch hiess, bei -einem Töffunfall schwere Knieverletzungen zugezogen hatte, begann er eine neue Rennkarriere als Seitenwagenpilot. Er konstruierte auch seine eigenen Gespanne – und forderte 1934 den Ostende-Wien-Express zu einem Rennen heraus. Auf der Hinfahrt von Wien nach Ostende verpassten Abarth und Martin Schneeweiss den Sieg noch knapp. Doch bei der Rückfahrt auf der 1372 Kilometer langen Strecke distanzierten sie den Zug problemlos. Es war Abarths erste Rekordfahrt. Später sollten noch viele weitere folgen.

... die Mode

Massanzüge, Masshemden, Massschuhe, selbst Masshandschuhe – Carlo Abarth legte sehr viel Wert auf seine Kleidung. Berühmt waren seine weissen,seidenen Einsteck-tücher mit den Initialen AK. Er fotografierte aber auch seine Annelies, wann und wo er nur konnte, und liess sie nach seinem Geschmack und nach eigenen Entwürfen einkleiden. Dafür engagierte er gar eine hauseigene Schneiderin. Da-raus entwickelte sich schliesslich eine ganze Modelinie mit eigenen Boutiquen. Abarth dürfte eine der ersten Marken überhaupt gewesen, die diese Form von Merchandising einführten, auch Männermode gab es dort zu kaufen. 1969 wurde Carlo Abarth einer der begehrten italienischen Mode-Oscars verliehen.

... die Kulinarik

Feinschmecker Abarth ass gerne die österreichischen Gerichte, die er aus seiner Jugend kannte (Tafelspitz, Nierenbraten), doch er wurde über die Jahre zu einem profunden Kenner der piemontesischen Küche. Das war nicht unbedingt zum Vorteil seiner Figur. Deshalb hielt er immer wieder Diät. Berühmt wurde in Turin das Panino Abarth – ein etwa zwei Zentimeter dickes Stück Schinken, ein Blatt Salat und zwei Brothälften. Und: Wer in den 1960er-Jahren in den Turiner Kaffeehäusern einen Abarth bestellte, erhielt einen stark gesüssten Ristretto.

Eteil, nobel, stolz: Carlo Abarth trug nur Massanzüge – und gern auch massgefertigte gelbe Lederhandschuhe
Eteil, nobel, stolz: Carlo Abarth trug nur Massanzüge – und gern auch massgefertigte gelbe Lederhandschuhe
ZVG

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Nachdem sich Karl Abarth, wie er 1930 noch hiess, bei -einem Töffunfall schwere Knieverletzungen zugezogen hatte, begann er eine neue Rennkarriere als Seitenwagenpilot. Er konstruierte auch seine eigenen Gespanne – und forderte 1934 den Ostende-Wien-Express zu einem Rennen heraus. Auf der Hinfahrt von Wien nach Ostende verpassten Abarth und Martin Schneeweiss den Sieg noch knapp. Doch bei der Rückfahrt auf der 1372 Kilometer langen Strecke distanzierten sie den Zug problemlos. Es war Abarths erste Rekordfahrt. Später sollten noch viele weitere folgen.

... die Mode

Massanzüge, Masshemden, Massschuhe, selbst Masshandschuhe – Carlo Abarth legte sehr viel Wert auf seine Kleidung. Berühmt waren seine weissen,seidenen Einsteck-tücher mit den Initialen AK. Er fotografierte aber auch seine Annelies, wann und wo er nur konnte, und liess sie nach seinem Geschmack und nach eigenen Entwürfen einkleiden. Dafür engagierte er gar eine hauseigene Schneiderin. Da-raus entwickelte sich schliesslich eine ganze Modelinie mit eigenen Boutiquen. Abarth dürfte eine der ersten Marken überhaupt gewesen, die diese Form von Merchandising einführten, auch Männermode gab es dort zu kaufen. 1969 wurde Carlo Abarth einer der begehrten italienischen Mode-Oscars verliehen.

... die Kulinarik

Feinschmecker Abarth ass gerne die österreichischen Gerichte, die er aus seiner Jugend kannte (Tafelspitz, Nierenbraten), doch er wurde über die Jahre zu einem profunden Kenner der piemontesischen Küche. Das war nicht unbedingt zum Vorteil seiner Figur. Deshalb hielt er immer wieder Diät. Berühmt wurde in Turin das Panino Abarth – ein etwa zwei Zentimeter dickes Stück Schinken, ein Blatt Salat und zwei Brothälften. Und: Wer in den 1960er-Jahren in den Turiner Kaffeehäusern einen Abarth bestellte, erhielt einen stark gesüssten Ristretto.

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