Wie der Schleuderschutz ESP zur Welt kam
Niemand wollte Leben retten

Seit über zwei Jahrzehnten rettet das Elektronische Stabilitäts-Programm ESP unzählige Leben. Anfangs aber war am System eines holländischen Ingenieurs keiner interessiert.
Publiziert: 08.10.2018 um 16:07 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2018 um 16:09 Uhr
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Mercedes S-Klasse Coupé C 140 beim ESP-Test
Foto: Werk
Stefan Grundhoff und Timothy Pfannkuchen

Zuerst sollte der Crashvermeider ironischerweise beim Crashen helfen: Als der Bosch-Ingenieur Anton van Zanten (78) das Elektronische Stabilitäts-Programm (ESP) erdachte, brachen Autos oft erst schleudernd aus und knallten darum mit der empfindlichen Flanke voran ins Unglück. ESP sollte die Autos stabilisieren, damit man mit der viel mehr Energie abbauenden Front trifft.

Vision des Niederländers

Nur: «Niemand wollte es haben», erzählt der gebürtige Niederländer, der seit 1977 beim deutschen Autozulieferer Bosch am Antiblockiersystem (ABS), auf dem das ESP basiert, arbeitete – und dabei jenes System erdachte, das das Auto ganz ohne Zutun des Fahrers wieder stabilisieren konnte.

Bosch hatte, Mercedes wollte

Anfang der 1990er zog van Zanten für Bosch mit der versuchsweise in einen Mercedes und einen BMW eingebauten «Fahr-Dynamik-Regelung» (FDR) vier Jahre lang von Marke zu Marke. «Nur Toyota war interessiert, weil sie parallel daran arbeiteten», sagt van Zanten: «BMW hat uns nur belächelt. Erst als sie hörten, dass Mercedes es doch will, wollten sie auch.»

Anfangs ein Luxusfeature

Mercedes hatte halt nach Sicherheitszelle mit Knautschzone (1959), elektronischem ABS (1978, mit Bosch) und erstem erfolgreichen Airbag (1981) einen Ruf zu verteidigen. Das Kürzel wurde von FDR auf ESP geändert (weils für «Electronic Stability Programm» auch auf Englisch funktioniert) – und 1995 startete das S-Klasse Coupé (für Fans: Baureihe C 140) mit dem Schleuderschutz.

«Elchtest» brachte ESP

Anfangs war es also ein Feature für Luxuskunden. Bis beim «Elchtest» 1997 die A-Klasse beim Ausweichmanöver umkippte. Mercedes machte daraus ein Lehrstück, wie man – im Gegensatz etwa zu VW heute beim Dieselskandal – Krisen meistert: Selbst Asche aufs Haupt streuen, nachrüsten und Milliarden ausgebend in die Vollen gehen: Die A-Klasse bekam ESP in Serie, wurde vom Umfaller zum Sicherheitsvorbild und zwang Kompaktkonkurrenten à la VW Golf zum Nachziehen.

Halb so viele Unfälle

Das ESP wurde so zur Normalität. Heute Standard, sind Unfälle mit Personenschaden dank ESP um bis zur Hälfte zurückgegangen, weil die Elektronik per Bremseingriff an einzelnen Rädern das Auto stabil hält und so viele Unfälle gleich ganz vermeidet. Und der Erfinder? Van Zanten ist Rentner und fährt bis heute das Auto, das seine Idee gross machte – eine alte A-Klasse.

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