Bei Urteilsverkündung Gift geschluckt
Kroatischer Kriegsverbrecher Praljak (†72) ist tot

Im Uno-Tribunal in Den Haag ist es zu einem Zwischenfall gekommen. Ein wegen Kriegsverbrechen angeklagter bosnischer Kroate schluckte im Gerichtssaal Gift. Wenig später verstarb der Mann.
Publiziert: 29.11.2017 um 11:56 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 15:57 Uhr
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Bei der Urteilsverkündung des Uno-Tribunals:Angeklagter schluckt Gift

Die Urteilsverkündung des UNO-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag gegen sechs bosnische Kroaten ist nach einem Zwischenfall unterbrochen worden. Einer der Angeklagten schluckte im Gerichtssaal Gift. Zuvor hatte der Mann gegen den Schuldspruch protestiert.

Wie kroatische Medien berichten, ist der Mann nach der Gift-Einnahme verstorben.

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Beim Verstorbenen handelt es sich um Slobodan Praljak (†72). Während des Bosnienkrieges (1992-1995) war er Militärchef der bosnischen Kroaten. Ihm wurden Verbrechen gegen die muslimische Minderheit in Bosnien-Herzegowina zur Last gelegt. Das Gericht hat nun die im Mai 2013 verhängte Haftstrafe von 20 Jahren gegen den ehemaligen Kommandanten bestätigt.

«Ich weise Ihr Urteil zurück»

Praljak rief nach seiner Verurteilung: «Slobodan Praljak ist kein Kriegsverbrecher. Ich weise Ihr Urteil zurück.» Dann trank er die Flüssigkeit aus einem kleinen Behälter. Richter und Anwälte reagierten bestürzt.

Was für ein Gift der Mann genau einnahm und wie das Fläschchen mit der Flüssigkeit in den Gerichtssaal hatte gelangen können, ist unklar. Richter Carmel Agius sagt, die niederländischen Behörden hätten Ermittlungen zu dem Vorfall aufgenommen.

Kroatiens Regierungschef Andrej Plenkovic bestätigt den Tod von Praljak und kritisiert den Schuldspruch scharf. Er spricht der Familie Praljaks sein Mitgefühl aus und kündigt mögliche rechtliche Schritte seines Landes gegen Teile des Urteils an.

Fünf weitere Schuldsprüche

In dem Berufungsverfahren von heute Mittwoch vor dem UNO-Tribunal erfolgte die Urteilsverkündung gegen fünf weitere ehemalige politische und militärische Führer der bosnischen Kroaten während des Bosnienkriegs. Ausser Praljak handelt es sich um den ehemaligen «Regierungschef» der selbstproklamierten bosnisch-kroatischen Republik Herceg-Bosna, Jadranko Prlic, den ehemaligen Verteidigungsminister Bruno Stojic sowie drei Militärs. Gegen den 58-jährigen Hauptangeklagten Prlic wurde die 25-jährige Haftstrafe aufrecht erhalten.

Kampf für Anbindung an Kroatien

Die damalige kroatische Führung unter Staatschef Franjo Tudjman hatte die bosnischen Kroaten in ihrem Kampf für eine Anbindung der überwiegend von Kroaten bewohnten Gebiete Bosniens an Kroatien unterstützt. Die einseitig ausgerufene Republik Herceg-Bosna wurde international nicht anerkannt.

Im Bosnien-Krieg standen sich überwiegend bosnische Muslime und bosnische Serben gegenüber. Allerdings gab es zeitweise auch heftige Kämpfe zwischen bosnischen Muslimen und bosnischen Kroaten. Mostar war der Schauplatz der schwersten Gefechte, in deren Verlauf fast vier Fünftel des Ostens der Stadt zerstört wurden.

Praljak war unter anderem angeklagt, im November 1993 die Zerstörung der Brücke von Mostar aus dem 16. Jahrhundert angeordnet zu haben. Dadurch sei der muslimischen Zivilbevölkerung «unverhältnismässig grosser Schaden» entstanden, erklärten die Richter im ersten Prozess, der 2006 begann.

Das Berufungsurteil gegen Praljak und die fünf weiteren bosnischen Kroaten ist das letzte Urteil des Tribunals, das nach 24 Jahren auf Ende 2017 seine Arbeit abschliesst. Nach der Unterbrechung wurde die Sitzung heute in einem kleineren Saal fortgesetzt.

Lebenslang für Ratko Mladic

Das UNO-Tribunal war das erste internationale Gericht für Urteile wegen Kriegsverbrechen in Europa nach 1945. Ex-Serbenführer Radovan Karadzic wurde 2008 an Den Haag ausgeliefert. 2016 wurde er unter anderem für den Völkermord von Srebrenica zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt. Der militärische Chef der bosnischen Serben, Ratko Mladic, war 2011 gefasst worden. Gegen den Ex-General verhängten die Richter erst in der vergangenen Woche eine lebenslange Haftstrafe.

Heute steht niemand mehr auf der Fahndungsliste des UNO-Gerichts. Zu den 84 Verurteilten gehören die militärisch und politisch Verantwortlichen der schlimmsten Verbrechen. (SDA/rad/noo)

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