Zwischen Griechenland und Mazedonien prallen Flüchtlinge, Bauern und Taxifahrer aufeinander
Alle stossen hier an ihre Grenzen

Europa im Februar 2016. Der alte Kontinent wirkt gestresst. Flüchtlingskrise, zunehmender Nationalismus, die EU in der Zerreissprobe. An der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien kommen viele der Stresssymptome auf kleinstem Raum zusammen.
Publiziert: 31.01.2016 um 19:44 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:10 Uhr
Peter Hossli (Text) und Pascal Mora (Fotos)

Zu Fuss hat Majad Abdullah die Grenze am Samstag überquert. Er ist 18, Syrer, seit zwei Monaten auf der Flucht. Schergen der Terrorbande Islamischer Staat belagern sein Dorf. Sie entführten seinen Bruder, brachen Majad den Arm. Der schmächtige Bursche mit Flaum auf der Oberlippe floh nach Damaskus. Umgehend zog ihn die syrische Armee ein. Der Gymnasiast desertierte, floh weiter in die Türkei, im Schlauchboot nach Griechenland. Nun will er nach Bochum (D), wo seine Schwester in einem Spital arbeitet. «Ich bin müde, aber hoffnungsvoll.»

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Eine Gruppe Marokkaner wird entdeckt und gleich nach Griechenland zurückgeschickt.
Foto: Pascal Mora

Nur: Majad steckt fest in Europa. Er kann das Durchgangscamp im mazedonischen Gevgelija nicht verlassen, wie Hunderte andere Flüchtlinge auch nicht. Es fahren keine Züge. Die mazedonische Regierung aber verlangt, dass Flüchtlinge mit der Bahn nach Serbien reisen.

Wegen dieses Befehls haben sich Giorgi (29) und 20 weitere mazedonische Taxifahrer beim Bahnhof Gevgelija auf die Geleise gesetzt. Sie blockieren die Züge. «Wir wollen die Hälfte aller Flüchtlinge fahren», sagt Giorgi. Er verdient 150 Euro im Monat. Dürfte er Flüchtlinge transportieren, wären es derzeit 150 Euro täglich. Dafür habe er ein neues Auto gekauft. «Jetzt kassiert nur die Regierung – sie muss abtreten!»

Das Gleiche fordert der griechische Bauer Thomas Karpiris (63) von seiner Regierung. Er und hundert andere Bauern haben ihre Traktoren auf die Autobahn gestellt, vor den offiziellen Grenzübergang nach Mazedonien. Niemand kann passieren. Auf Athen und Brüssel sind sie wütend. «Wir haben kein Geld, alles ist teuer», sagt Karpiris. «Merkel und Schäuble sorgen dafür, dass die Griechen arm bleiben», giftelt er gegen Deutschlands Bundeskanzlerin und Bundesfinanzminister. Karpiris möchte höhere Preise für Gemüse, Milch und Getreide. Will er, dass Griechenland die EU verlässt? Trotz Stress mit Europa sagt er: «Nein, Griechenland ist ein europäisches Land.»

Zwischen Mazedonien und Griechenland steht ein martialischer Stacheldrahtzaun. Mazedonische Spezialeinheiten patrouillieren, darunter Grenadier Mohammed (24). Als Kind entfloh der ethnische Albaner 2001 dem Krieg im Kosovo. «Ich weiss, was es heisst zu flüchten.» Vor ihm hält ein Pinzgauer. Mohammed richtet sein Gewehr darauf. Sieben Marokkaner steigen aus. Sie waren durch ein Loch im Zaun gekrochen, die Armee fing sie ab. Nun nimmt sie die Grenzpolizei in Empfang – und schafft sie nach Griechenland zurück.

Mazedonien lässt nur noch Syrer, Afghanen und Iraker einreisen, «echte Flüchtlinge», sagt der mazedonische Polizist Dragan. «Wir sind arm, können nicht allen helfen. Die EU will keine Wirtschaftsflüchtlinge, wir machen, was sie verlangt.» Täglich schicke er Hunderte Pakistaner und Marokkaner zurück nach Griechenland. Wo der Stress nicht aufhört.

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