Die Reise haben sich Wilfrid und Sabrina K.* wohlverdient. Das junge Paar aus Saint-Vallier de Thiey (F) führt eine Pizzeria an der Côte d’Azur. Sie haben sich gerade einen Food-Truck zugelegt – ihr ganzer Stolz. Bevor die Saison beginnt, will das Paar mit seinen Kindern während der Feiertage durch Norditalien reisen.
Das Paar lädt Sohn Nolhan (7), Töchterchen Lina (2) und den Sohn von Wilfrids Bruder, Mathéo (13), in den Kia Sportage – und fährt los. Sie sind auf dem Weg nach Venedig, wollen noch Halt in Verona machen. Dort ankommen wird die Familie nie.
Es ist der 2. Januar 2018. Nur 70 Kilometer fehlen noch bis ans Ziel. Doch der Verkehr stockt. Ein schwerer Unfall hält die Autos auf. Der Kia steht am Ende des Staus. Da rauscht ein 40-Tönner mit Sand beladen heran. Der Chauffeur aus Cuneo (I) ist unkonzentriert. Er sieht den stehenden Verkehr nicht – und kracht mit Vollgas in den Kia.
Im Nu brennen die drei Fahrzeuge lichterloh
Der vollbesetzte SUV wird unter einen Tanklaster geschoben und fängt Feuer. Die Katastrophe nimmt in Sekunden ihren Lauf. Im Nu brennen drei Fahrzeuge. Auch das Benzin des Tankwagens entzündet sich. Die Rauchsäule ist noch kilometerweit zu sehen.
Am Steuer des Benzintransporters sitzt Gianni Giuliani (48). Noch immer unter Schock erzählt der LKW-Fahrer aus Romagnano (I) der italienischen Zeitung «Il Giorno»: «Ich hörte einen Knall und spürte plötzlich einen Schlag, der mich aus dem Sitz hob und mich gegen die Windschutzscheibe schleuderte. Im Rückspiegel sah ich die Flammen.»
Geistesgegenwärtig springt der Italiener von seinem hochexplosiven Truck. «Ich sah den Kia unter meinem LKW. Überall war Feuer. Ich konnte nichts mehr tun», sagt Giuliani und kämpft mit den Tränen. Er muss mit ansehen, wie sechs Menschen, die fünfköpfige Familie aus Südfrankreich und der Kollege mit dem Sandtransporter, in den Flammen bis zur Unkenntlichkeit verkohlen.
Leichen sind verkohlt und nur schwer zu identifizieren
Autos und Leichen sind derart entstellt, dass die italienischen Ermittler grosse Mühe haben, die Opfer zu identifizieren. Zwei lange Tage brauchen sie, um anhand von DNA-Spuren die Identität sicherzustellen. Die tote Familie bekommt schliesslich ein Gesicht – und die Angehörigen in der Heimat die Hiobsbotschaft.
Traurig scrollt Sabrinas Vater durch die letzten Selfies auf seinem Smartphone. Fotos voller Fröhlichkeit, die ihm seine Tochter während ihres Italien-Trips immer wieder zuschickte. «Ich kenne niemanden, der so viel Lebenslust empfand und so verliebt war wie meine Tochter», sagt Christian Martinez im Interview mit der französischen Zeitung «Nice Matin», «wie kann das Schicksal nur so ungerecht sein.»