Er warnt, er mahnt und macht Hoffnung: Anthony Fauci ist seit Anfang des Jahres nicht mehr aus dem amerikanischen Alltag wegzudenken. Der Wissenschaftler gilt seit Jahrzehnten als einer der herausragendsten Experten für Infektionskrankheiten in den USA. In der Corona-Krise ist er zu Amerikas Gesicht im Kampf gegen die Pandemie geworden - seine Berühmtheit reicht mittlerweile über die Zirkel der Wissenschaft und über die Grenzen des Landes hinaus.
Seit Monaten versucht er, Antworten auf die drängendsten Fragen in der Pandemie zu geben, und verschont die Öffentlichkeit nicht mit düsteren Prognosen. Am 24. Dezember feiert der Immunologe seinen 80. Geburtstag.
Faucis Konterfei prangt auf Pullovern, Socken und - wenig überraschend - auf Schutzmasken. In der Hauptstadt Washington ist sein Gesicht auf Aufstellern vor Wohnhäusern oder am Strassenrand zu sehen. Sie ermahnen die Passanten: Hört in der Pandemie auf Dr. Fauci und nicht auf x-beliebige Bekannte von der Highschool.
Als Prominenter zu gelten sei «surrealistisch und in mancher Hinsicht nett und amüsant», sagte Fauci kürzlich dem US-Magazin «People» - einem der vielen Medien, auf deren Titelseiten der Gesundheitsexperte in diesem Jahr gelandet ist.
Doch Fauci macht unmittelbar deutlich, dass es ihm um etwas ganz anderes geht als um persönlichen Ruhm. «Sie können das alles nicht ernst nehmen und anfangen zu denken, dass Sie ein Promi sind. Wenn Sie anfangen, das zu denken, kommen Sie in Schwierigkeiten. Ich bin ein Arzt. Ich bin ein Wissenschaftler. Und ich bin ein Beamter des öffentlichen Gesundheitswesens.»
Fauci ist Sohn einer Apotheker-Familie. Geboren wurde er 1940 in New Yorks Stadtteil Brooklyn. Er lieferte schon als kleiner Junge mit dem Velo Medikamenten-Bestellungen aus. 1966 machte er als Klassenbester seinen Abschluss an der renommierten Medizin-Fakultät der Cornell-Universität.
Zunächst arbeitete er als Assistenzarzt, bevor er zu den Nationalen Gesundheitsinstituten wechselte, wo er als einer der ersten mit der HIV-Forschung begann. Seit 1994 leitet der Vater dreier Töchter das Nationale Institut für Infektionskrankheiten. «Alles, was ich derzeit tue, interessiert mich zutiefst und ich bin wirklich gut darin», sagte Fauci dem Magazin «Time», das ihn zum «Beschützer des Jahres» ernannte.
Ins Rampenlicht rückte der vielfach preisgekrönte Wissenschaftler während der Corona-Pandemie nicht nur wegen seiner Expertise, sondern auch wegen seiner Position in Donald Trumps Weissem Haus. Als Teil der Corona-Arbeitsgruppe nahm er eine herausragende Stellung bei der Informierung der Bevölkerung ein. Damit nicht genug. Er wurde zur Stimme der Vernunft in der Pandemie und damit zum Gegengewicht zu Trump - der nicht dafür bekannt ist, stets der Wissenschaft und den Fakten zu folgen.
Als Trump in der frühen Phase der Pandemie fast täglich mit der Corona-Taskforce vor die Medien trat, scheute sich Fauci nicht, zu optimistische, zu weitreichende oder irreführende Aussagen des Präsidenten einzufangen. Diplomatisch, aber deutlich relativierte er im März etwa Trumps Werbung für das Malaria-Medikament Hydroxychloroquin und stellte klar, dass es dazu keine ernsthaften klinischen Studien gäbe. Als Trump Hoffnungen auf eine rasche Rückkehr zum Normalbetrieb schürte, drückte Fauci auf die Bremse.
Doch Fauci sprach nicht nur an der Seite des Präsidenten, sondern war plötzlich auf allen Kanälen zu sehen und zu hören. Bei Anhörungen im US-Senat, im Frühstücksfernsehen oder in Podcasts informiert er über den Stand der Dinge.
Im Sommer sorgten Berichte in den USA für Aufsehen, wonach es im Weissen Haus Versuche gäbe, Fauci zu diskreditieren. Trump selbst sagte über Fauci, dieser sei «ein netter Mann, aber er hat viele Fehler gemacht».
Einschüchtern liess sich der Gesundheitsexperte davon nicht. Auf die Frage, ob er unter solchen Umständen überhaupt weiter für die Regierung arbeiten wolle, sagte Fauci damals in einem Interview: «Ich will einfach nur meine Arbeit machen. Ich bin wirklich gut darin. Und ich werde sie weitermachen.» Umfragen bescheinigten Fauci, dass die Menschen ihm mehr vertrauten als Trump.
Fauci hat unter allen US-Präsidenten seit Ronald Reagan gearbeitet. Der künftige US-Präsident Joe Biden hat längst klar gemacht, dass Fauci für ihn das Mass aller Dinge ist. «Wenn Dr. Fauci sagt, dass wir einen Impfstoff haben, der sicher ist», werde er sich impfen lassen, sagte Biden etwa. Fauci soll Bidens Chefberater in Corona-Fragen werden, sobald der künftige Präsident sein Amt am 20. Januar angetreten hat.
Für seinen anstrengenden Alltag hält sich Fauci mit Power Walking fit. Jeden Tag lege er mit seiner Frau Christine Grady 3,5 Meilen (5,6 Kilometer) zurück, sagte er dem Magazin «InStyle», das ihn im Sommer als «The Good Doctor» porträtierte. Fauci tut mit aufmunternden Worten und Mitgefühl gut daran, diesem Label gerecht zu werden. «Wir werden das durchstehen, das wird enden», sagte er dem Magazin «People».
(SDA)