Während sieben Jahren haben sie zehn Menschenleben ausgelöscht. Die deutschen Rechtsextremen Uwe Mundlos (†34), Uwe Böhnhardt (†38) und Beate Zschäpe (40) gründeten die Terrorgruppe «Nationalsozialistischer Untergrund» (NSU). Laut Bundesanwaltschaft hat das Trio aus Jena jahrelang unerkannt gemordet. Neun ihrer Opfer waren ausländischer Herkunft.
Während fast 240 Verhandlungstagen hat die Hauptangeklagte im NSU-Prozess kein Wort geredet. Heute hat sie ihr Schweigen gebrochen und ausgesagt. Oder besser: aussagen lassen. Ihr Verteidiger Mathias Grasel hat in ihrem Namen heute eine 53-seitige Erklärung verlesen.
An den Morden will die Nazibraut nicht beteiligt gewesen sein. Sie habe nicht einmal davon gewusst. Und auch ein Motiv habe sie nicht erkennen können. Hätten ihr «die Uwes» jeweils von den getöteten Menschen erzählt, sei sie «schockiert» gewesen, nicht nur «sprachlos», sondern sogar «fassungslos». Doch stoppen habe sie die zwei Männer nicht können. Aus Angst, die Freunde zu verlieren, habe sie nicht zur Polizei gehen können. «Die beiden brauchten mich nicht. Ich brauchte sie», liess sie über ihren Anwalt verlauten.
Zehn Morde, zwei Jahre eisernes Schweigen. Und heute der Satz: «Ich war weder an den Vorbereitungshandlungen noch an der Tatausführung beteiligt.» Trotzdem entschuldigte sie sich. Dafür, dass sie «zehn Morde und zwei Bombenanschläge» nicht habe verhindern können. Dafür fühle sie sich «moralisch schuldig». «Ich entschuldige mich aufrichtig bei allen Opfern und Angehörigen der Opfer der von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt begangenen Straftaten.»
Zschäpes Aussage kommt nicht gut an. «Ich habe ihr heute kein Wort geglaubt», sagt Opferanwalt Mehmet Daimagüler. «Sie kann diese Art von Entschuldigung behalten.» Und Nebenanklage-Anwalt Stephan Lucas ergänzte: «Heute hat man sehr gut verstehen können, warum es manchmal klug ist, einfach den Mund zu halten.» Zschäpe versuche, sich aus der Verantwortung zu ziehen, ist sich Gamze Kubasik sicher. Die Tochter eines der NSU-Opfer glaubt der Neonazi-Terroristin nicht: «Für mich ist das reine Taktik und wirkt total konstruiert.» Dass ihre Erklärung «so sinnlos wird» hätte sie sich nicht denken können.
Zschäpe hat heute nur das zugegeben, was weitestgehend bereits bewiesen wurde. Ihre Erklärung strapaziere nicht nur Klischees über Frauen, sondern stelle sich auch «in die Traditionslinie der deutschen Schuldverdrängung aus den Jahrzehnten nach der Befreiung vom Nationalsozialismus», heisst es auf «Tagesschau.de».
Zu Beginn der Aussage betonte der Anwalt Zschäpes schwierige Kindheit als Tochter einer alkoholkranken Mutter – und das erst noch in der damaligen DDR. Sie habe kein Geld gehabt, sich mit kleinen Diebstählen über Wasser halten müssen. In ihren Teenagerjahren war sie dann mit Uwe Mundlos zusammen, verliebte sich aber noch während dieser Beziehung in Uwe Böhnhardt. Dessen Freunde seien nationalistisch eingestellt gewesen.
Vor Gericht versuchte Zschäpe die Unschuldskarte zu spielen, die «Unschuld vom Lande» zu sein. «Wer würde es ihr verdenken? Ein armes Mädchen mit einer schweren Kindheit in der DDR, das an die falschen Jungs geraten war», beschreibt die deutsche Tagesschau ihr Selbstgemälde.
Es scheint, als hätte sich die 40-Jährige damit einen Bärendienst erwiesen. Nebenanklage-Anwalt Peer-Stolle: «Diese Einlassung von Zschäpe ist tatsächlich ein Schuldeingeständnis. Das, was sie sagt, ist so konstruiert und lebensfremd, dass jedem klar geworden ist, dass sie die Unwahrheit sagt und was zu verschleiern hat.»
Auch Barbara John, die Ombudsfrau der Bundesregierung für die NSU-Opfer, wertete Zschäpes Erklärung als Geständnis. Und: «Sich als elftes Opfer der angeblichen Alleintäter Böhnhardt und Mundlos darzustellen, ist das einfachste, was man machen kann. Denn die beiden können nicht mehr reden.» Vor vier Jahren erschoss Mundlos zuerst seinen Nazi-Kumpanen Böhnhardt und dann sich selber. (lex)