Die ersten 100 Tage einer US-Präsidentschaft seien die wichtigsten, sagt man. Bei Donald Trump (70) ist alles ein bisschen anders: Er kniet sich bereits in der ersten Woche derart rein, als hätte er nicht mindestens vier Jahre Zeit, um seine Wahlversprechen einzulösen.
Seit seiner Amtseinsetzung am letzten Freitag hat er mehr als zehn präsidiale Erlasse unterzeichnet, einen Streit mit Mexiko vom Zaun gebrochen und im Weissen Haus einen «alternativen» Standard für Wahrheit etabliert.
Weg mit Obamacare
Bereits an seinem allerersten Tag im Amt leitet Trump Schritte ein, um die Gesundheitsreform seines Vorgängers Barack Obama rückgängig zu machen. Er weist die Behörden per Dekret an, «unerwünschte finanzielle Lasten» durch den Affordable Care Act (auch Obamacare genannt) zu minimieren. Das soll eine Übergangslösung sein, bis Obamacare endgültig abgeschafft und ersetzt sei.
Die Mauer zu Mexiko
Trotz erheblicher Zweifel von Experten – sogar aus dem Weissen Haus – hält Donald Trump an seinem lautesten Wahlversprechen fest: Am Mittwoch unterzeichnet er einen präsidialen Erlass zum Bau einer Mauer an der 3200 Kilometer langen Grenze zu Mexiko. Das Projekt könnte bis zu 40 Milliarden Franken kosten.
Er setzt damit die freundschaftlichen Beziehungen der USA zu Mexiko aufs Spiel. Staatschef Enrique Peña Nieto sagte ein geplantes Treffen ab, nachdem Trump auf Twitter geschrieben hatte: «Wenn Mexiko nicht für die Mauer zahlen will, dann wäre es besser, das Treffen abzusagen.» Trump will nun einen Strafzoll auf Importe aus Mexiko erheben.
Kein Geld mehr für Abtreibungen
Ein weiterer Beschluss trifft Frauen auf der ganzen Welt: Donald Trump streicht finanzielle Hilfe für Organisationen, die im Ausland Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Er bekennt sich damit zu seinem Wahlversprechen, gegen Abtreibungen vorzugehen.
Frauenrechtler auf der ganzen Welt kritisieren den Entscheid scharf. Er führe zu Millionen von unsicheren Abtreibungen und gefährde das Leben vieler Frauen.
Die Öl-Pipeline wird doch gebaut
Im Dezember jubelten die Indianer und Umweltschützer noch: Nach monatelangen Protesten stoppte die US-Armee den Bau einer umstrittenen Ölpipeline im Indianerreservat Standing Rock in North Dakota, damit Alternativen geprüft werden könnten. Doch die Freude währte nicht lange. Donald Trump stösst den Bau der Pipeline in seiner ersten Woche mit zwei präsidialen Anordnungen wieder an.
Ausstieg aus TPP-Abkommen
«Amerika zuerst» – Trump wird nicht müde, das zu betonen. Als eine der ersten Handlungen ziehen sich die USA deshalb aus dem transpazifischen Handelsabkommen TPP zurück. Das Abkommen, ein Kernstück von Obamas Asien-Politik, ist von zwölf Staaten inklusive den USA unterzeichnet worden, aber noch nicht in Kraft getreten.
Ausschaffungen von Immigranten
Trump weist die Behörden an, bei den Ausschaffungen von illegalen Immigranten einen Gang zuzulegen. Priorität haben solche, die ein Verbrechen begangen haben oder begangen haben sollen und ein Risiko für die öffentliche Sicherheit darstellen. Dazu sollen die Immigrationsbehörden 10’000 zusätzliche Beamte anstellen.
Trump geht auch auf Konfrontationskurs mit den sogenannten Zufluchtsstädten (Sanctuary Cities): Er will ihnen den Geldhahn zudrehen, wenn sie illegal Eingewanderte vor der Abschiebung schützen.
Dazu zählen etwa Los Angeles, New York, Miami und San Francisco. Ihre Verwaltungen gehen nicht gegen Einwanderer ohne Papiere vor. Mehrere Gouverneure haben bereits Widerstand angekündigt.
Untersuchung wegen Wahlbetrugs
Dazu gab es keinen präsidialen Erlass, dennoch ist es bemerkenswert: Obwohl er die Wahl gewonnen hat, will Donald Trump eine «riesige Untersuchung» wegen Wahlbetrugs starten. Er glaubt, dass Millionen von Menschen unerlaubt gewählt haben – alle für Hillary Clinton. Beweise dafür gibt es keine. Clinton hat knapp drei Millionen Stimmen mehr als Trump geholt, der wegen des US-Wahlsystems dennoch gewählt wurde.
Neue Gesichter
Kurz nach Trumps Amtseinführung sind auch zwei enge Mitarbeiter von Trump ins Scheinwerferlicht geraten, von denen wir wohl noch öfter hören werden: Pressesprecher Sean Spicer (45) und Beraterin Kellyanne Conway (50).
Nach Trumps Vereidigung publizierten Medien Fotos, die zeigten, dass der Amtseinführung von Barack Obama deutlich mehr Menschen beigewohnt hatten. Dies wollte der Präsident nicht auf sich sitzen lassen. Deshalb schickte er Spicer vor, um den Journalisten die Kappe zu waschen. An einer bizarren Pressekonferenz sagte Spicer, ohne dies zu belegen: «Noch nie wohnten so viele Menschen einer Vereidigung bei. Punkt.» Er stellte fünf Behauptungen auf, von denen sich vier als unwahr herausstellten.
In einem Interview mit NBC verteidigte Trump-Beraterin Conway den Pressesprecher. Spicer habe nicht gelogen, er habe lediglich «alternative Fakten» präsentiert.
Trump twittert weiter
Donald Trump kommuniziert am liebsten über Twitter mit der Öffentlichkeit – so könnten ihn die «lügenden Medien» nicht falsch wiedergeben, sagt er. Vor dem Amtsantritt stellte sich die Frage, ob Trump als Präsident weiterhin so munter twittern würde wie vorher.
Die Antwort lautet: Ja. Und wie! Seit dem vergangenen Freitag hat Trump mehr als 40 Tweets abgesetzt, das sind mehrere pro Tag. Er benutzt dazu meist sein privates Konto, obwohl er nun Zugang zum offiziellen Präsidenten-Account hat. Diesen benutzt er aber vor allem dazu, um Nachrichten des Privatkontos weiterzuverbreiten.
An seinem Stil hat sich nichts verändert: Trump gibt sich mal zahm, mal angriffig – und immer wieder impulsiv. So drohte er nach einem Bericht des TV-Senders Fox News über steigende Mordraten, die Bundespolizei nach Chicago zu schicken. Eine solche Androhung äussert das Weisse Haus normalerweise erst nach einer intensiven Debatte.
Widerstand formiert sich
Einen Tag nach der Amtseinführung fand in Washington als Gegenreaktion zu Trumps Wahl der Women’s March für Frauen- und Menschenrechte statt – begleitet von Solidaritäts-Demos auf der ganzen Welt. Laut Schätzungen gingen allein in den USA zwischen 3,3 Millionen und 4,6 Millionen Menschen auf die Strasse, was den Women’s March zu einer der grössten Protestveranstaltungen in der Geschichte des Landes macht.