Ziel verfehlt
Die Welt ist beim Kampf gegen HIV und Aids nicht auf Kurs

Die Weltgemeinschaft hat ihre selbst gesetzten Ziele im Kampf gegen HIV und Aids verfehlt.
Publiziert: 07.07.2020 um 10:39 Uhr
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Aktualisiert: 07.07.2020 um 11:47 Uhr
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Im vergangenen Jahr haben sich nach Schätzungen 1,7 Millionen Menschen weltweit mit HIV angesteckt.
Foto: imago stock&people

Im vergangenen Jahr haben sich nach Schätzungen 1,7 Millionen Menschen weltweit mit dem Virus angesteckt, wie das Programm der Vereinten Nationen für HIV/Aids (UNAIDS) am Montag zum Auftakt der virtuellen Welt-Aids-Konferenz berichtete.

Eigentlich sollten es durch neue Programme, Initiativen und Investitionen nur noch 500 000 Menschen im Jahr sein. Die Epidemie sollte bis 2030 besiegt werden.

Corona schadet den Zahlen

«Die Coronavirus-Pandemie droht, uns noch weiter vom Kurs abzubringen», sagte UNAIDS-Exekutivdirektorin Winnie Byanyima in Genf. Wachsende Armut durch den Stillstand der Wirtschaft führe zu zunehmender häuslicher Gewalt und gefährde vor allem Mädchen und junge Frauen. Sie treibe Menschen in prekäre Situationen, in denen das Risiko einer HIV-Infektion steige.

Keine Mittel zur Behandlung

Infizierte könnten zudem teils nicht zu Ärzten gehen, heisst es in dem Bericht. Auch sei die Kondom- und Arzneiproduktion eingeschränkt. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) laufen 73 Länder bereits Gefahr, dass ihnen die Vorräte an HIV-Medikamenten ausgehen. 24 Länder hätten schon grosse Nachschubprobleme oder fast leere Lager gemeldet. In diesen 24 Ländern lebe ein Drittel der Menschen, die die wichtige antiretrovirale Therapie erhalten.

Behandlungen dürfen nicht stoppen

Wenn die Behandlung mit antiretroviraler Therapie nur für 20 Prozent der HIV-Infizierten für sechs Monate unterbrochen werde, führe das zu 110 000 zusätzlichen Todesfällen, so UNAIDS. Eric Goemaere von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen in Südafrika bezeichnete das als inakzeptabel: «Wir dürfen wegen der Covid-19-Pandemie bei der HIV/Aids-Epidemie keinen Rückzieher machen.» Covid-19 ist die Krankheit, die das Coronavirus auslösen kann.

Epidemie soll bis 2030 verschwinden

Es gebe Fortschritte, aber sie seien ungleich verteilt, sagte Byanyima. In Osteuropa, Zentralasien und Lateinamerika sowie im Nahen Osten und Nordafrika sei die Entwicklung nicht gut. Dennoch glaubt sie, dass das Ziel, die Epidemie bis 2030 zu beenden, mit neuen Anstrengungen noch erreicht werden kann.

Ein leuchtendes Beispiel sei das kleine Königreich eSwatini (früher: Swasiland) im südlichen Afrika. Das Land mit rund einer Million Einwohnern reduzierte die Zahl der Neuinfektionen von 13 000 im Jahr 2010 auf 6500 im Jahr 2019, wie Ministerpräsident Ambrose Dlamini sagte.

Zu den Fortschritten zähle auch, dass 2019 dreimal so viele Menschen wie 2010 mit einer antiretroviralen Therapie behandelt wurden, heisst es in dem Bericht. Ende vergangenen Jahres waren das 25,4 Millionen der weltweit schätzungsweise 38 Millionen HIV-Infizierten.

690 000 Todesopfer in 2019

690 000 Menschen starben 2019 an den Folgen ihrer Infektion, 39 Prozent weniger als 2010 - aber deutlich mehr als für 2020 angepeilt: Es sollen in diesem Jahr nur noch 500 000 Infizierte sterben. Die Zahl der Neuinfektionen, 1,7 Millionen, war 2019 so niedrig wie seit 1989 nicht mehr.

Dennoch reiche das nicht. «Die Welt hat zu wenig investiert, zu wenig Menschen Zugang zu Behandlungen verschafft und dabei versagt, die Kurven mit neuen HIV-Infektionen und Todesfällen im Zusammenhang mit Aids bedeutend abzuflachen», heisst es in dem Bericht. 2019 hätten nur gut zwei Drittel der finanziellen Mittel für Aufklärung und Behandlung zur Verfügung gestanden.

«Dieses kollektive Versagen (...) hat einen hohen Preis: Zwischen 2015 und 2020 hat es 3,5 Millionen mehr Infektionen und 820 000 mehr Todesfälle mit Bezug zu Aids gegeben, als es der Fall wäre, wenn die Welt im Plan gewesen wäre, um die Ziele für 2020 einzuhalten.» (SDA)

Fast 40 Jahre HIV und Aids
  • 1981
    Am 5. Juni 1981 schlagen die US-Gesundheitsbehörden Alarm wegen des Auftretens einer selten Form der Lungenentzündung bei jungen Homosexuellen in Kalifornien.
    In den kommenden Monaten werden dieselben Symptome bei Drogenabhängigen, bei mit Transfusionen behandelten Blutern und in den USA lebenden Haitianern gefunden.
     
  • 1982
    Der Fachausdruck Aids (Acquired immune defiency syndrome) beginnt sich durchzusetzen.
     
  • 1983
    Im Januar isolieren die Forscher Françoise Barré-Sinoussi und Jean-Claude Chermann unter Leitung von Luc Montagnier ein neues Virus namens LAV, das mit Aids in Zusammenhang stehen könnte.
     
  • 1984
    Am 23. April gibt Robert Gallo bekannt, den "wahrscheinlichen" Aids-Verursacher gefunden zu haben: HTLV-III. Bei LAV und HTLV-III handelt es sich um dasselbe Virus. 1986 wird es HIV genannt.
     
  • 1985
    Der erste Prominente stirbt an Aids, der Schauspieler Rock Hudson.
     
  • 1987
    Am 20. März 1987 wird in den USA das erste Medikament zugelassen: AZT. Es hat zahlreiche schwere Nebenwirkungen.
     
  • Anfang der 90er Jahre
    Eine ganze Reihe von Prominenten stirbt an Aids, unter ihnen Queen-Frontmann Freddie Mercury, der Ballettstar Rudolf Nurejew oder der deutsche Tennisprofi Michael Westphal.
     
  • 1995/1996
    Neue Medikamente kommen auf den Markt: Die Kombinationstherapien beginnen, die sich als sehr wirksam erweisen. 1996 geht die Zahl der Aids-Toten in den USA erstmals zurück.
     
  • 1999
    Die Weltgesundheitsorganisation zählt 50 Millionen Infizierte und 16 Millionen Tote seit Beginn der Epidemie.
     
  • 2001
    Generika werden erlaubt, um den Entwicklungsländern die Herstellung von Aids-Medikamenten zu ermöglichen.
     
  • 2012
    In den USA wird das Medikament Truvada zugelassen, ein Mittel zur Prophylaxe.
     
  • 2017
    Erstmals sind laut Uno die Hälfte der Infizierten in Behandlung. 36,9 Millionen sind 2017 als infiziert gemeldet, rund 35 Millionen seit 1981 gestorben.
     
  • 2019
    Zum zweiten Mal weltweit ist ein HIV-Patient nach einer Stammzellen-Transplantation virenfrei. Die bis dato einzige anerkannte Heilung eines Aids-Patienten ist der Fall des US-Bürgers Timothy Brown, bei dem in den 90er Jahren in Berlin Aids diagnostiziert worden war.
  • 1981
    Am 5. Juni 1981 schlagen die US-Gesundheitsbehörden Alarm wegen des Auftretens einer selten Form der Lungenentzündung bei jungen Homosexuellen in Kalifornien.
    In den kommenden Monaten werden dieselben Symptome bei Drogenabhängigen, bei mit Transfusionen behandelten Blutern und in den USA lebenden Haitianern gefunden.
     
  • 1982
    Der Fachausdruck Aids (Acquired immune defiency syndrome) beginnt sich durchzusetzen.
     
  • 1983
    Im Januar isolieren die Forscher Françoise Barré-Sinoussi und Jean-Claude Chermann unter Leitung von Luc Montagnier ein neues Virus namens LAV, das mit Aids in Zusammenhang stehen könnte.
     
  • 1984
    Am 23. April gibt Robert Gallo bekannt, den "wahrscheinlichen" Aids-Verursacher gefunden zu haben: HTLV-III. Bei LAV und HTLV-III handelt es sich um dasselbe Virus. 1986 wird es HIV genannt.
     
  • 1985
    Der erste Prominente stirbt an Aids, der Schauspieler Rock Hudson.
     
  • 1987
    Am 20. März 1987 wird in den USA das erste Medikament zugelassen: AZT. Es hat zahlreiche schwere Nebenwirkungen.
     
  • Anfang der 90er Jahre
    Eine ganze Reihe von Prominenten stirbt an Aids, unter ihnen Queen-Frontmann Freddie Mercury, der Ballettstar Rudolf Nurejew oder der deutsche Tennisprofi Michael Westphal.
     
  • 1995/1996
    Neue Medikamente kommen auf den Markt: Die Kombinationstherapien beginnen, die sich als sehr wirksam erweisen. 1996 geht die Zahl der Aids-Toten in den USA erstmals zurück.
     
  • 1999
    Die Weltgesundheitsorganisation zählt 50 Millionen Infizierte und 16 Millionen Tote seit Beginn der Epidemie.
     
  • 2001
    Generika werden erlaubt, um den Entwicklungsländern die Herstellung von Aids-Medikamenten zu ermöglichen.
     
  • 2012
    In den USA wird das Medikament Truvada zugelassen, ein Mittel zur Prophylaxe.
     
  • 2017
    Erstmals sind laut Uno die Hälfte der Infizierten in Behandlung. 36,9 Millionen sind 2017 als infiziert gemeldet, rund 35 Millionen seit 1981 gestorben.
     
  • 2019
    Zum zweiten Mal weltweit ist ein HIV-Patient nach einer Stammzellen-Transplantation virenfrei. Die bis dato einzige anerkannte Heilung eines Aids-Patienten ist der Fall des US-Bürgers Timothy Brown, bei dem in den 90er Jahren in Berlin Aids diagnostiziert worden war.
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