Muss der Satiriker und TV-Star Jan Böhmermann drei Jahre in den Knast? Erst gestern wurde berichtet, dass das Gedicht von ZDF-Satiriker Jan Böhmermann (35) gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan (62) ernsthafte juristische Folgen haben könnte. Die Staatsanwaltschaft Mainz ermittelt – auch gegen weitere ZDF-Verantwortliche.
Mit seiner selbst gekennzeichneten «Schmähkritik» vom letzten Donnerstag im «Neo Magazin Royale» auf ZDFneo wollte er nach dem Satire-Lied von «extra 3» nachdoppeln. Der Komiker sagte dem türkischen Präsidenten in dem Gedicht nach, dass dieser Kurden trete, Christen haue und dabei Kinderpornos schaue. Es folgten zahlreiche verbale Attacken und Beleidigungen, die schliesslich im Reim gipfelten: «Pervers, verlaust und zoophil / Recep Fritzl Priklopil».
ZDF in der Türkei mit faulen Eiern beworfen
Das ging vielen Erdogan-Fans in der Türkei zu weit. Türkischen Medien zufolge wurde das ZDF Studio in Istanbul nach dem Ausstrahlen des Gedichts mit faulen Eiern beworfen. Rund 20 bis 25 verärgerte Türken sollen rund eine Stunde vor dem Gebäude des Fernsehsenders demonstriert haben. Ihr Anliegen war es, dass sich der deutsche Fernsehsender für das Gedicht entschuldigen solle, «ein Zurückziehen des Hassbeitrages des ZDF mit einer mageren Begründung reicht nicht aus», schrieben sie auf Plakate.
«Wir wurden Zielscheibe des Zorns. Es stinkt noch heute», zitiert der «Tagesspiegel» einen Mitarbeiter des Fernsehstudios. ZDF meldete den Vorfall den örtlichen Polizeibehörden.
Das Gebäude musste nach der Eierattacke mit Wasserschläuchen gereinigt werden, wie das Video einer türkischen Nachrichtenzeitung zeigt.
Beykozlu gençler Alman ZDF kanalını protesto ettiGedicht wird auch in der türkischen Presse diskutiert
In der türkischen Presse ist die Satire aus Deutschland gegen den Präsidenten ebenfalls ein Thema. In der Zeitung «Sabah» fordert man mit der Frage «Wann geht Böhmermann?» offensichtlich einen Abgang des Satirikers aus dem Fernsehen.
Der Sabah-Chefredakteur Mikdat Karaalioğlu hat das Thema in der Zeitung unter dem Titel «Dreckskerl, du bist kein Humorist, sondern ein Hetzer» kommentiert. Dass die Zeitung mittlerweile selbst in den Fokus der Medien gerät, erklärt sie in einem eigenen Artikel gleich selbst.
In diesem rechtfertigt sie sich auch zu Vorwürfen in den Medien, wonach die Zeitung das Gedicht nicht als Satire bezeichnet haben soll. Gleichzeitig stellt sie aber selbst die Frage: «Warum sollen wir etwas als Satire bezeichnen, das nicht einmal das ZDF als solche betrachtet?»
ZDF löschte Beitrag einen Tag später
Schon einen Tag später war der Beitrag des Schmähgedichts von allen Kanälen des ZDF verschwunden, auch auf YouTube wurde das Video gelöscht. Der deutsche Fernsehsender begründete die Löschung mit einer unzureichenden Qualität für eine Satiresendung. Dass das Video vom Netz genommen wurde, lag wohl auch daran, dass sich Bundeskanzlerin Angela Merkel hinter Erdogan stellte. Sie sagte, es sei ein «bewusst verletzender Text». (lz)