US-Präsident Barack Obama hat Florida heute zum Notstandsgebiet erklärt. Es wird damit gerechnet, dass Hurrikan «Matthew» in der Nacht auf morgen als Hurrikan der zweitstärksten Kategorie 4 an der Ostküste auf Land treffen und in unmittelbarer Küstennähe nordwärts ziehen wird. Von Miami im Süden Floridas bis hinauf nach South Carolina wurden deshalb mehr als zwei Millionen Menschen aufgerufen, sich in Sicherheit zu bringen - die umfassendste Zwangsevakuierung seit dem schweren Sturm «Sandy» im US-Osten im Jahr 2012.
Insgesamt wurde für ein Gebiet mit elf Millionen Menschen eine Hurrikanwarnung ausgegeben. Experten nennen «Matthew» den möglicherweise gefährlichsten Sturm seit «Andrew», der Florida vor 24 Jahren traf, schwere Verwüstungen anrichtete und 65 Menschen in den Tod riss. Gouverneur Rick Scott aktivierte deshalb 2500 Nationalgardisten. «Wir bereiten uns auf das Schlimmste vor», sagte er.
Opferzahl könnte weiter steigen
Hurrikan «Matthew» zog in der Nacht auf heute (Ortszeit) mit Windgeschwindigkeiten von 185 Stundenkilometern über die Bahamas. Zuvor hatte er vor allem in Haiti schwere Überschwemmungen und Zerstörungen verursacht. Insgesamt starben allein dort rund 140 Menschen.
Es wird damit gerechnet, dass die Zahl der Toten weiter steigt. Im besonders schwer betroffenen Südwesten von Haiti sind viele Gebiete weiterhin nur schwer oder gar nicht zugänglich. In der Dominikanischen Republik kamen vier Menschen ums Leben. 25 Häuser wurden zerstört und 54 Dörfer von der Aussenwelt abgeschnitten.
Floridas Gouverneur Rick Scott warnt, dass der Sturm auch in den USA Menschenleben kosten könnte. «Bringt euch in Sicherheit, dies ist eure letzten Chance. Bleibt weg von den Stränden. Der Sturm wird euch töten», beschwört er die Küstenbewohner. Erwartet würden schwerste Sturmfluten, Überschwemmungen, Zerstörung, heftiger Regen und Stromausfälle für Hunderttausende Haushalte.
Weltraumbahnhof in Gefahr
Das Hurrikan-Zentrum in Miami hat berechnet, dass der Sturm zunächst in Küstennähe an Miami vorbeiziehen und das Auge dann zwischen Fort Pierce und Melbourne das Land streifen könnte - möglicherweise mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 230 Stundenkilometern. Auch die sogenannte Space Coast mit dem Weltraumbahnhof Cape Canaveral gilt als besonders gefährdet.
Auch wenn das Auge des Sturms auf seinem Zug nordwärts ganz über Wasser bleiben würde, sei wegen der Küstennähe mit möglicherweise katastrophalen Auswirkungen zu rechnen, warnt das Hurrikan-Zentrum.
Seuchen befürchtet
Berichte über schwerere Zerstörung auf den Bahamas gibt es bisher nicht. In Haiti wurden jedoch nach Angaben von Hilfsorganisationen Tausende Häuser zerstört. «Im Süden der Insel wurden wichtige Gebäude wie Kirchen, Kliniken und Gesundheitsstationen beschädigt. Millionen Menschen in Haiti sind von diesem gewaltigen Sturm betroffen», sagt der Landesdirektor der Hilfsorganisation World Vision, John Hasse.
Auch Teile der Hauptstadt Port-au-Prince wurden überflutet. Im Slum Cité Soleil seien die Abwasserkanäle übergelaufen und viele behelfsmässige Hütten weggespült worden, berichtet der Leiter der Malteser in der Region, Ravi Tripptrap. Caterina Becorpi vom Deutschen Roten Kreuz in Haiti sagt: «Zwischen Port-au-Prince und den Departments im Süden stürzte die wichtigste Brücke ein, zahlreiche Häuser und Felder wurden zerstört.»
Sorgen bereitet den Helfern vor allem die Seuchengefahr durch stehende Gewässer und Unrat. «Wir hatten erst kürzlich wieder einen Cholera-Ausbruch, und solche Überflutungen können einen erneuten Ausbruch natürlich begünstigen», sagt die stellvertretende Care-Länderdirektorin Laura Sewell. «Es wird jetzt in den nächsten Stunden und Tagen wichtig sein, sauberes Wasser bereitzustellen.»
Die Wahlbehörde des Landes sagte die für Sonntag geplante Präsidentenwahl wegen der Folgen von «Matthew» ab. Ein neuer Termin soll in der kommenden Woche bekanntgegeben werden. Damit ist vorerst kein Ende der seit Monaten andauernden politischen Krise in dem völlig verarmten Karibikstaat in Sicht.
Glückskette spendet eine Million
Die Glückskette will den Betroffenen des Hurrikans helfen. Deshalb stellt sie ihren Partnern in der Karibik eine Million Schweizer Franken für die Nothilfe und erste Massnahmen zur Wiederinstandstellung der Infrastruktur zur Verfügung.
Verschiedene Partnerorganisationen der Glückskette hätten vor Ort bereits erste Massnahmen ergriffen oder würden spezialisierte Fachkräfte entsenden, teilte die Glückskette heute mit.
Laut der Hilfsorganisation verfügten diese über grosse Erfahrung in Haiti und könnten schnell und effizient helfen. Die Gelder kommen aus einem permanenten Fonds für nicht zweckgebundene Spenden und von Überschüssen aus schon abgeschlossenen Fonds. Weitere Spenden für die Hurrikan-Opfer seien herzlich willkommen.
Nach dem Erdbeben im Jahr 2010 hat die Glückskette 84 Hilfsprojekte in Haiti mit 61,8 Millionen Franken unterstützt. Es wurden 2700 Häuser repariert oder neu erstellt, 3300 Latrinen gebaut und 2500 Wasserreservoirs errichtet.
Spenden für die Opfer des Wirbelsturms können online auf www.glueckskette.ch, über die Swiss-Solidarity-App der Glückskette oder auf das Postkonto 10-15000-6 (Vermerk «Wirbelsturm Matthew») überwiesen werden. (SDA/noo)