Yisrael Kristal hat wahrlich schon viel erlebt – heute feiert der gemäss «Guinness World Records» älteste Mann der Welt seinen 113. Geburtstag.
Doch Bar Mizwa, die jüdische Feier zur religiösen Mündigkeit, hat er nie begehen können. Das Ritual vollziehen jüdische Knaben im Alter von 13 Jahren: Sie dürfen dann zum ersten Mal in der Synagoge öffentlich aus der Tora lesen.
Als Kristal seinen 13. Geburtstag feierte, tobte indessen der Erste Weltkrieg, sein Vater war Soldat im Krieg und seine Mutter kurz zuvor gestorben. Seine Bar Mizwa fiel deshalb aus.
Nun holt er die Feier zur religiösen Mündigkeit 100 Jahre später nach. Ende September, an seinem Geburtstag nach jüdischem Kalender, will er seine Bar Mizwa mit über 100 Gästen nachfeiern.
Auschwitzüberlebender und Konditor
Geboren wurde Yisrael Kristal am 15. September 1903 im polnischen Zarnow, einem Dorf in der Nähe von Lodz. Dort wuchs er auf. Eine Erinnerung ist ihm besonders geblieben: zu Beginn des Ersten Weltkriegs zog einst der Kaiser von Österreich-Ungarn durch sein Dorf. Zusammen mit anderen Kindern bewarf er den Monarchen damals mit Bonbons.
Später lernte Kristal den Beruf des Konditors und heiratete 1928 seine erste Frau, mit der er zwei Kinder hatte. Doch mit dem Überfall der Nazis auf Polen 1939 brachen schwere Zeiten für das Ehepaar an. Die Familie musste ins Getto der Stadt und wurden dort inhaftiert.
Die Kinder starben, die Eltern wurden 1944 nach Auschwitz deportiert. Die Nazis ermordeten auch seine Ehefrau, Yisrael Kristal war der einzige Überlebende seiner Familie. Als die Rote Armee die KZ-Häftlinge im Januar 1945 befreite, wog er noch 36 Kilogramm.
Neuanfang in Israel
Nach den grauenvollen Erlebnissen kehrte Kristal nach Lodz zurück, wo er seine zweite Frau Batsheva kennenlernte. Gemeinsam wanderten die beiden 1950 nach Israel aus. Dort widmete er sich wieder seinen Süssigkeiten und gründete eine Konditorei in Haifa. Seine zweite Frau brachte wiederum zwei Kinder zur Welt. Heute hat Kristal Enkel und Urenkel.
Dem gläubigen Juden geht es gesundheitlich besser als vielen anderen Holocaustüberlebenden. Nur seine Augen sind nicht mehr ganz so gut. Mittlerweile sagt er deshalb seine täglichen Gebete auswendig auf. (pfc)