Yael Michali (71) fürchtet sich vor Anschlägen
Nachbarn in Angst wegen neuer US-Botschaft in Jerusalem

Die amerikanische Botschaft zieht am Montag nach Jerusalem. Das sorgt in der Nachbarschaft für ein ungutes Gefühl – wer will schon neben einem Anschlagsziel wohnen?
Publiziert: 13.05.2018 um 23:36 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 14:15 Uhr
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Yael Michali (71) lebt neben der neuen US-Botschaft in Jerusalem. Sie hat ein ungutes Gefühl.
Foto: Joelle Weil
Joëlle Weil, Jerusalem

Das sind sie nun, die neuen Nachbarn: Yael Michali (71) steht auf ihrem Jerusalemer Balkon und schaut besorgt auf die gegenüberliegende Strassenseite, wo ab Montag die neue US-Botschaft steht. Bis anhin wurde das Gebäude als Konsulat genutzt, nun erlebt es eine Art Upgrade, das mit vielen Unannehmlichkeiten für die Anwohner verbunden ist.

Dazu gehört unter anderem eine drei Meter hohe Mauer, die das Areal künftig abschirmen wird. «Viele Anwohner haben erfolglos versucht, gegen diese Baumassnahme vorzugehen», sagt Michali zu BLICK. Der amerikanische Hochsicherheitstrakt schränkt sie ein. «Als Obama hier war, durfte ich nicht einmal auf meinen Balkon. Ich wurde ins Haus geschickt und musste gar die Rollläden schliessen. Mit Trump werden die Sicherheitsvorkehrungen bestimmt nicht gelockert.»

Wohnen neben Anschlagsziel

Vor allem aber bereitet es ihr Sorgen, ab heute vor einem möglichen Anschlagsziel zu wohnen. Mit dem Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem löst US-Präsident Donald Trump eines seiner Wahlversprechen ein. Kurz nach der Verkündung dieses Vorhabens kam es vor allem in der Westbank zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und der israelischen Armee.

Auch reichlich internationale Kritik wurde laut, doch nichts hielt Trump von seinem Vorhaben ab: Am 14. Mai eröffnet die neue Botschaft in diplomatischen Kreisen mit geladenen Gästen. Trump selbst wird nicht anwesend sein, lässt sich jedoch von seiner Tochter Ivanka Trump und seinem Schwiegersohn und Berater Jared Kushner vertreten. Die Schweiz wird trotz Einladung diesem Event aus diplomatischen Gründen fernbleiben.

Ivanka Trump wird vom US-Botschafter David Friedman bei ihrer Ankunft in Israel empfangen. Mit dabei: ihr Mann Jared Kushner.
Foto: REUTERS

100'000 Demonstranten erwartet

Der 14. Mai ist als Umzugsdatum nicht willkürlich gewählt: Am selben Tag vor genau 70 Jahren erklärte Israel seine Unabhängigkeit. Doch der darauffolgende Tag wird bei den Palästinensern «Nakba» («Katastrophe») genannt, an dem man bei Demonstrationen der 700'000 vertriebenen Araber im Zusammenhang mit Israels Unabhängigkeit gedenkt und deren Rückkehr fordert.

Jedes Jahr kommt es zu Zusammenstössen zwischen palästinensischen Demonstranten und der israelischen Armee oder Polizei. Dieses Jahr rechnet man in Israel mit besonders grossen Ausschreitungen, sollen doch die Demonstrationen wegen des Umzugs der US-Botschaft einen Tag vorgezogen werden.

In Gaza kommt es bereits seit Wochen zu blutigen und gar tödlichen Auseinandersetzungen zwischen gewaltbereiten Demonstranten und der israelischen Armee, was sich diese Woche wohl nicht ändern wird: 100'000 Demonstranten erwartet die israelische Armee alleine im Gazastreifen. In den Städten Nablus oder Ramallah werden ebenfalls Massendemonstrationen stattfinden, eine Kundgebung ist in Tel Aviv geplant.

«Stimmung wird bestimmt unangenehmer»

Am Sonntag, kurz vor Eröffnung der neuen Botschaft sind die Sicherheitsmassnahmen hoch. Polizisten patrouillieren auf Pferden oder mit Spürhunden. Nachbarin Yael Michali wird sich an diesen Anblick wohl gewöhnen müssen: «Es war bis anhin mit dem Konsulat ähnlich: Sobald eine unbeaufsichtigte Tasche auf der Strasse liegt, stehen die Sicherheitsleute in Alarmbereitschaft da. Jetzt, wo das eine Botschaft ist, wird die Stimmung bestimmt unangenehmer.»

In der Nachbarschaft Arnona muss man sich nun – wenn auch teilweise widerwillig – an den Gedanken gewöhnen, dass hier ab heute ein international kontroverser Diplomatenkomplex steht. Nur über eines kann sich Yael Michali vielleicht freuen: Dass ihre Wohnung ab heute wohl an Wert gewinnt. Dieser Meinung ist auch Immobilienmaklerin Esthy Shahar, die nicht nur in der Nachbarschaft arbeitet, sondern auch hier lebt.

«Das war schon immer eine teure Gegend», sagt sie. Mit dem Einzug der amerikanischen Botschaft werden sich jedoch nicht nur die Kauf-, sondern auch die Mietpreise erhöhen. «Ich kann mir gut vorstellen, dass wir hier in der Nachbarschaft bald Mitarbeiter der Botschaft einziehen sehen.» Das unbehagliche Sicherheitsgefühl der Anwohner beobachtet sie jedoch auch: «Viele von uns hier haben Bedenken, was die Sicherheit angeht. Aber mit diesem Gefühl lebt fast jeder, der in Jerusalem wohnt.»

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