Recep Tayyip Erdogan besucht derzeit Deutschland. Am Donnerstag ist der türkische Präsident in der deutschen Hauptstadt Berlin angekommen. Schon dort wurde er unfreundlich empfangen. Auf einem Plakat war zu lesen: «Herr Erdogan landet in Berlin. Journalisten im Gefängnis».
Erdogan strebt eine Normalisierung der Beziehungen mit Deutschland an. Er will den Fokus auf die Wirtschaftspartnerschaft lenken und die diplomatischen Krisen in den vergangenen Monaten hinter sich lassen. Soweit der Plan. Doch der ging nicht auf.
Erdogan verwirft ursprüngliche Rede und provoziert
Zuerst gab sich Erdogan noch diplomatisch. Beim Empfang am Freitagmorgen durch den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier lächelte er noch, gab sich freundschaftlich. Als am Abend Steinmeier während seiner Rede beim Staats-Bankett im Schloss Bellevue die Pressefreiheit und Grundrechte in der Türkei vorsichtig kritisierte, waren die freundschaftlichen Gesten Schnee von gestern.
Erdogan betrat die Bühne und verwarf seine ursprünglich geplanten Worte, wie die «BILD» berichtet. Was folgte war eine Wut-Rede, die seinesgleichen sucht. Erdogan warf Deutschland vor, Terroristen zu verteidigen. Gemeint sind rund 70 Personen, die die Türkei hinter Gittern sehen will. Sie wirft unter anderem Journalisten vor, Terroristen zu sein oder zumindest sich terroristisch zu betätigen.
Der Fall Dündar lässt Erdogan nicht los
Erdogan sagte: «Man redet von Intellektuellen. Dann muss man sie aber auch definieren. Man sagt Journalisten. Wenn der Journalist ein Teil vom Terrorismus ist und die türkische Justiz ihn bestraft hat, wie kann man sowas verteidigen?»
In der Türkei wird man jedoch als Kritiker des Erdogan-Regimes schnell zum Terroristen. Besonders hart traf es den türkischen Journalisten Can Dündar. Erdogan beschimpfte ihn als «Agenten», der «Geheimnisse des Staates preisgegeben» habe. Ins Visier gerat Dündar, nachdem er Waffenexporte der Türkei nach Syrien unter die Lupe nahm.
Dündar arbeitet in Deutschland als Journalist. Erdogan hat schon vor dem Staatsbesuch seine Auslieferung in die Türkei verlangt. Als er am Freitag hörte, dass eben dieser Dündar an der gemeinsamen Pressekonferenz mit Angela Merkel teilnehmen könnte, wollte er diese absagen. Dündar gab jedoch nach und erklärte wenig später, dass er nicht erscheinen werde.
Erdogan: «Schade, dass es so gekommen ist»
Wieder zurück zur Wut-Rede Erdogans. Mit Blick auf Frank Walter Steinmeier sagte er: «Eigentlich haben wir heute Mittag darüber geredet. Es gab keinen Grund heute Abend. Denn diese gedeckten Tische habe ich als freundschaftlichen Tisch gesehen. Und an einem freundschaftlichen Tisch redet man eigentlich nicht über solche Themen.»
Dann sagte Erdogan zum Fall Dündar: «Wir wollen ihn. Obwohl wir ein Abkommen haben, wird er nicht an uns ausgeliefert. Eigentlich wollte ich nicht so reden. Aber weil der Bundespräsident das angesprochen hat, musste ich das korrigieren. Schade, dass es so gekommen ist.»
Heute Samstag will Erdogan in Köln die neue Zentralmoschee der türkischen Islam-Organisation Ditib besuchen. Es werden Proteste erwartet. (pma/nim)