Die Bundesanwaltschaft hat am Dienstag gegen einen im Kanton Aargau wohnhaften Italiener Anklage wegen Beteiligung an respektive Unterstützung einer kriminellen Organisation beim Bundesstrafgericht eingereicht. Dem Mann (58) wird insbesondere vorgeworfen, mindestens zwischen 2001 und 2020 dem ‘Ndrangheta-Clan Anello-Fruci als Ansprechpartner in der Schweiz gedient und sich hierzulande für die Förderung der Interessen der Organisation eingesetzt zu haben. Der Beschuldigte soll zudem eine Reihe von Straftaten begangen haben; darunter Einfuhr, Erwerb und Lagerung von Falschgeld, Hehlerei, Widerhandlungen gegen das Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition sowie Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz.
Im Rahmen des von der Bundesanwaltschaft (BA) geführten Verfahrens wurden durch fedpol umfangreiche Ermittlungen getätigt, welche es ermöglichten, die Präsenz der international tätigen kriminellen Organisation mit Handlungsmittelpunkt in Kalabrien, genannt ‘’Ndrangheta, in der Schweiz festzustellen. Ebenso konnte festgestellt werden, dass der Beschuldigte dieser Organisation angehörte und sie unterstützte. So steht es in einer Medienmitteilung.
Mafia-Methoden angewandt
Der Beschuldigte soll laut Anklageschrift der BA als Mitglied und Vertrauensperson des ‘Ndrangheta-Clans Anello-Fruci für die Weiterentwicklung der Interessen der Organisation in der Schweiz zuständig gewesen sein. Dessen Existenz und Zusammensetzung wurde bereits durch rechtskräftige Strafurteile in Italien bestätigt. Mindestens seit Anfang 2001 und bis Juli 2020 soll der Beschuldigte durch sein dauerhaftes und ununterbrochenes Handeln bewusst an dessen kriminellen Tätigkeiten mitgewirkt haben. Er soll insbesondere eine enge Beziehung zur Führungsspitze der Organisation gepflegt haben. Er soll sich und ihm nahestehende Personen zur Verfügung gestellt haben, um illegale und legale Handlungen zu tätigen, und so einen Beitrag zur Erfüllung der illegalen und legalen finanziellen und personellen Ziele der kriminellen Organisation zu leisten. In diesem Sinne soll er die von der Führungsspitze des Clans erteilten Befehle ausgeführt oder er hat diese ausführen lassen sowie logistische Unterstützung geleistet haben.
Zudem soll der Beschuldigte in der Schweiz Geld, das ganz oder teilweise für die Kassen der kriminellen Organisation bestimmt war, in andere Währungen gewechselt und anschliessend, teilweise über Drittpersonen, aus der Schweiz nach Italien verschoben haben. Weiter soll er für die kriminelle Organisation in der Schweiz als Vermittler im Betäubungsmittelhandel agiert, den illegalen Handel mit Waffen und Munition gefördert, Personen für die Ausführung von Handlungen rekrutiert und Vermögenswerte, über die der Clan verfügte, verschleiert haben. Der Beschuldigte soll zudem bewusst Verhandlungen aufgenommen haben, um zu vereiteln, dass die Herkunft von Vermögenswerten geklärt oder diese aufgefunden oder eingezogen werden können, von denen er wusste oder annehmen musste, dass sie aus einem Verbrechen stammten. Dem Italiener wird weiter vorgeworfen, die Methoden der Mafia angewandt zu haben, namentlich durch Übergriffe und psychische Nötigung oder Ausnutzung der Einschüchterungsmacht der zu den abscheulichsten Verbrechen fähigen kriminellen Organisation – insbesondere bei der Eintreibung von Krediten und Schutzgeldern. Diese Methoden sollen gemäss Anklageschrift auch bei der Beschaffung und Anhäufung von Schwarzgeldern zur Umgehung von Steuern, Überweisungen nach Italien sowie im Zusammenhang mit dem Betrieb von Gastrounternehmen und öffentlichen Lokalen in verschiedenen Kantonen genutzt worden sein. Teilweise kamen dabei Strohmänner zum Einsatz.
Strohmänner eingesetzt
Gemäss Anklageschrift der BA hat der Beschuldigte die kriminelle Organisation ‘’Ndrangheta unterstützt, und dabei vorwiegend die «Locale» von Fino Mornasco, die mit der «Locale» von Giffone koordiniert ist, deren Existenz und Zusammensetzung laut rechtskräftigen Strafurteilen in Italien erwiesen ist. Diese Unterstützung soll er geleistet haben, indem er als Vermittler im Betäubungsmittel- und im Waffenhandel agiert und sich für den Verkauf von Waffen zur Verfügung gestellt haben soll. Weiter soll er an einer Versammlung der ‘’Ndrangheta teilgenommen und die Schweizer Behörden getäuscht haben, um einem Mitglied der «Locale» zu ermöglichen, sich in der Schweiz niederzulassen und so die Ausübung der kriminellen Aktivitäten der «Locale» in der Schweiz zu erleichtern.
Gemäss Anklageschrift der BA soll dem Beschuldigten bewusst gewesen sein, dass er mit seinem Handeln die Existenz, die Festigung und die Stärkung einer kriminellen Organisation unterstützte, deren Struktur, Mitglieder und Handlungsweise geheim gehalten wird, um ihr Fortbestehen zu sichern. Dabei handelt es sich um eine Organisation, die besonders diskret vorgeht und Strohmänner einsetzt, um die Geheimhaltung ihrer illegalen Tätigkeiten zu wahren, ihre kriminellen Ziele zu erreichen und mit kriminellen Machenschaften die eigene finanzielle Leistungsfähigkeit zu stärken.
Falschgeld in die Schweiz gebracht
Dem Beschuldigten wird zudem eine Beteiligung am illegalen Betäubungsmittelhandel vorgeworfen. So soll er wiederholt Anstalten dazu getroffen haben, um anderen Personen Zugang zum Verkauf bestimmter Betäubungsmittel verschiedener Art zu verschaffen. Laut Anklageschrift soll der Beschuldigte weiter Waffen und Waffenzubehör eingeführt, gelagert, veräussert und Dritten angeboten, nach Italien ausgeführt und sich für deren Verkauf als Vermittler zur Verfügung gestellt haben. Er soll gefälschte Banknoten eingeführt, gelagert und Dritten angeboten haben, mit dem Ziel, sie in der Schweiz in Umlauf zu bringen.
Zudem soll er geholfen haben, mindestens eine Waffe zu veräussern, von der er wusste oder annehmen musste, dass ein anderer sie durch eine strafbare Handlung gegen das Vermögen erlangt und ihm geschenkt oder verkauft hatte. Dem Beschuldigten werden gemäss Anklageschrift folgende Handlungen zur Last gelegt:
- Beteiligung an resp. Unterstützung einer kriminellen Organisation
- Hehlerei
- Einführen, Erwerben, Lagern falschen Geldes
- Widerhandlungen gegen das Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition
- Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz.
Strafbefehl gegen Italienerin (59)
Im Zuge der Ermittlungen wurden zahlreiche geheime Überwachungsmassnahmen angeordnet und ausgeführt, mit dem Ziel, die Mitglieder der mafiösen kriminellen Struktur zu identifizieren, sowie ihre kriminellen Ziele und operativen Abläufe zu durchleuchten, namentlich Telefon- und Innenraumüberwachungen, Observationen und eine verdeckte Ermittlung. Die Strafuntersuchung konnte sich auch auf die Aussagen mehrerer Kronzeugen in Italien abstützen. Diese lieferten zahlreiche Informationen zur Niederlassung des `Ndrangheta-Clans in der Schweiz. Im Laufe der Ermittlungen der BA wurden diese Informationen weiter vertieft und bestätigt. Die komplexe Strafuntersuchung mit internationaler Tragweite wurde im Rahmen einer Gemeinsamen Ermittlungsgruppe (GEG) zusammen mit der Staatsanwaltschaft von Catanzaro geführt. Das Strafverfahren wurde auf mehrere Personen ausgedehnt und betraf insgesamt 13 Beschuldigte.
Am 24. Oktober 2024 erliess die BA einen Strafbefehl wegen Geldwäscherei gegen eine im Kanton Solothurn wohnhafte italienische Staatsangehörige (59). Gegen diesen Strafbefehl wurde Einsprache erhoben, weshalb er an das Bundesstrafgericht weitergeleitet wurde. Gegen zwei weitere Beschuldigte wurde das Verfahren mit Strafbefehlen wegen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes, Widerhandlungen gegen das Waffengesetz und Übertretung des Waffengesetzes abgeschlossen. Diese Strafbefehle sind rechtskräftig. Die BA hat zudem eine Einstellungsverfügung betreffend Geldwäscherei erlassen. Das Verfahren gegen einen weiteren Beschuldigten wurde aus Zuständigkeitsgründen der kantonalen Behörde übermittelt.
In Bezug auf sieben weitere Beschuldigte wurde das Verfahren abgetrennt und mit folgendem Verfahrensausgang abgeschlossen:
- Delegation der Strafverfolgung gegen drei Beschuldigte an die zuständigen italienischen Behörden, wobei die in der Schweiz verübten Handlungen den Beschuldigten in Italien vorgehalten wurden. Schuldsprüche in Italien im Rahmen des Verfahrens «Imponimento» sind zum Teil noch nicht rechtskräftig.
- Delegation der Strafverfolgung gegen einen Beschuldigten an die zuständigen italienischen Behörden. Schuldspruch ist in Italien im Rahmen des Verfahrens «Cavalli di Razza» erfolgt.
- Strafbefehl wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz.
- Einstellung des Verfahrens wegen Geldwäscherei.
- Das Verfahren gegen einen Beschuldigten wurde aus Zuständigkeitsgründen der kantonalen Behörde übermittelt.
Die in diesem Zusammenhang ergangenen Urteile stellen einen wichtigen Erfolg dar und zeigen die Wirksamkeit und Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen der BA und den kantonalen und ausländischen Strafverfolgungsbehörden. Für den Beschuldigten gilt bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils die Unschuldsvermutung.