Jeb Bush (62) trägt einen grossen Namen. Und hat darum ein grosses Problem. Lange wartete der Sohn und Bruder der Ex-Präsidenten George H. W. (91) und George W. Bush (68) zu, letzte Nacht gab der ehemalige Gouverneur des Bundestaates Florida seine Kandidatur für das Amt des US-Präsidenten endlich offiziell bekannt.
Nun muss er sich Anfang 2016 in den Vorwahlen gegen die anderen republikanischen Kandidaten behaupten, um zum Ende des Jahres gegen einen Widersacher aus dem demokratischen Lager um die Nachfolge von Barack Obama anzutreten.
«Vater und Bruder sind nicht gerade Rockstars»
«Es mag auf den ersten Blick so aussehen, aber der Favorit ist er tendenziell nicht», sagt Christian Blickenstorfer, zwischen 2001 und 2006 Botschafter der Schweiz in den USA, zu Blick.ch.
«Sein Name ist sein grösstes Problem», sagt der Politologe und Politberater Louis Perron, der ein Buch über amerikanische Wahlkämpfe publiziert hat. «Vater und Bruder sind beide nicht gerade die Rockstars unter den US-Präsidenten. Das wird noch deutlicher, wenn man sie mit Bill Clinton vergleicht, der bei seinen Auftritten auf Versammlungen der Demokraten jeweils gefeiert wird. Die beiden Bush werden dagegen von ihrer Partei gerne in den Hintergrund gedrängt.»
Kein Finanzierungsproblem
Für Blickenstorfer ist vor allem Jebs Bruder George W. das Problem. «Ich habe in meiner Zeit in den USA beide kennengelernt. Jebs Vater hat mich beeindruckt. Sein Bruder überhaupt nicht. Dessen Zeit im Weissen Haus dürfte sich für Jeb Bush in den nächsten Monaten als Problem herausstellen. Ich gehe darum davon aus, dass George W. Bush im Wahlkampf kaum öffentlich auftreten wird.»
Ein Plus dürfte Bushs Familie dafür bei der Arbeit hinter den Kulissen bringen. «Da werden Vater und Bruder aktiv sein, beim Fundraising und Networking beim Partei-Establishment. Ein Finanzierungsproblem wird Jeb sicher nicht haben.»
Erschwerend könnte dazukommen, «dass die Amerikaner eher keine Dynastien wollen. Der dritte Bush innert 25 Jahre - das könnte einer zuviel sein», sagt Blickenstorfer. Mit dieser Tatsache dürfte auch Hillary Clinton, Gattin des ehemaligen Präsidenten Bill Clinton und wahrscheinliche demokratische Kandidatin, zu kämpfen haben.
Radikale Republikaner
Doch damit nicht genug. «Bushs zweites grosses Problem ist die extreme Radikalisierung seiner Partei», sagt Perron. «Er muss sich in den Vorwahlen nun fragen, inwieweit er den starken rechten Flügel der Republikaner bedienen soll.»
Kein einfaches Unterfangen für jemanden, der sich in den letzten Jahren im republikanischen Lager als gemässigte Stimme etabliert hat. «Ich würde ihm raten, dazu zu stehen, dass er verhältnismässig moderate Ansichten vertritt.»
Das könnte Bush schliesslich auch zu seinem Vorteil nutzen. «Er muss den konservativen Republikanern klarmachen, dass er vielleicht nicht in allen Bereichen zu hundert Prozent mit ihnen übereinstimmt, aber dass er in der Präsidentschaftswahl die besten Chancen hat, die ganze Bevölkerung zu überzeugen.»
Wen wollen die Latinos?
Seine aufgeschlossene Haltung in Sachen Immigration – Bush will illegalen Einwanderern einen Weg zur US-Staatsbürgerschaft ermöglichen – könnte ihm in einer ganz anderen Wählergruppe nämlich hilfreich sein: bei den Latinos. Die stimmten bei den letzten beiden Wahlen mit überwältigender Mehrheit für Obama. «Und sie bekommen je länger je mehr Gewicht.»
Im Kampf um die Gunst der Latino-Wähler gibt es jedoch Konkurrenz. Mit Marco Rubio (44) und Ted Cruz (45) treten bei den Republikanern zwei Kandidaten hispanischer Herkunft an, die der Tea Party deutlich näher stehen als Bush.
Vor allem das Duell mit Rubio dürfte interessant werden. Der Senator aus Florida gilt als Bushs Ziehsohn. «Bush muss die Latino-Karte sehr vorsichtig spielen», sagt Diplomat Blickenstorfer über den Kandidaten, der mit einer Mexikanerin verheiratet ist und fliessend spanisch spricht.
Rund ein Dutzend Kandidaten
Auch ohne die Latino-nahen Kandidaten verspricht der Vorwahlkampf breit wie selten zu werden. Mit der libertären Wundertüte Rand Paul (52), den konservativen Ben Carson (63), Mike Huckabee (59), Rick Santorum (57) und Rick Perry (65), New Yorks Ex-Gouverneur George Pataki (69), South Carolinas Senator Lindsey Graham (59) und der früheren HP-Chefin Carly Fiorina (60) öffnet sich ein breites Kandidatenfeld.
Ein Feld, das noch breiter werden dürfte. Aussichtsreiche Bewerber wie Wisconsins Gouverneur Scott Walker (47) und dessen Amtskollege aus New Jersey, Chris Christie (52), haben ihren Hut noch nicht einmal offiziell in den Ring geworfen.
Clinton bräuchte einen Sparringspartner
Auf der anderen Seite scheint der Fall dagegen klar. Bei den Demokraten ist Hillary Clinton die grosse Favoritin. Den übrigen offiziellen Kandidaten werden kaum Chancen eingeräumt, eine zweite aussichtsreiche Kandidatur fehlt bislang. Doch auch das ist nicht ohne Gefahr. «Was passiert, wenn Clintons Kampagne kollabiert?», fragt Perron. «Dann haben die Demokraten ein ernsthaftes Problem. Eine seriöse Kampagne müsste bald aufgebaut werden.»
So fehlt Clinton derzeit ein richtiger Sparringspartner. «In den Vorwahlen wird immer auch getestet, welche Themen bei den Wählern ankommen», sagt Blickenstorfer. Zwar sei Clinton sehr gut qualifiziert. «Sie war Aussenministerin, Senatorin, First Lady, das ist aussergewöhnlich.»
Dennoch würde er sich als zusätzlichen Demokraten-Kandidaten einen Anwärter wie Obama-Vize Joe Biden wünschen. «Vielleicht hat er ein etwas loses Mundwerk für einen Präsidentschaftswahlkampf und er ist relativ alt. Aber er ist ein äusserst erfahrener und respektierter Politiker.»