Als Frau hat man es im Iran bei der Mode einfach. Wenn man sich an die Regeln halten will, gibt es eigentlich kaum eine Wahl: Frauen müssen ein Kopftuch tragen und ihren Körper verhüllen. Und wenn frau ihr Outfit mal vermasselt hat, hilft einem auch noch der Staat. Denn der überwacht die Einhaltung der Mode.
Aber die Vorschriften sind nicht nur eindeutig, sondern auch von muslimischen Geistlichen ersonnen. Und das finden nicht alle gut. Viele Iranerinnen tragen zum Beispiel gerne Leggins - und sorgen damit regelmässig für Erregung im Parlament. Manche lassen sogar das Kopftuch lieber bei der Oma.
«Als ob sie auf eine Party wollte»
So weit ging Marietje Schaake bei ihrem letzten Besuch in Teheran nicht. Trotzdem hat auch die holländische EU-Parlamentariern jetzt die iranische Geistlichkeit mitsamt ihrer Verbündeten aus der Politik in Wallung gebracht. «Als ob sie auf eine Party wollte», meckerte Mahdi Kouchakzadeh, ein bekannter Hardliner, dem Spiegel zufolge über Schaakes Outfit bei ihrem Treffen mit Parlamentspräsident Ali Laridschani.
Die 36-Jährige folgte als Teil einer Delegation von sieben EU-Parlamentariern einer Einladung iranischer Abgeordneter. Und sie hatte Leggins an. Dazu ein weites Oberteil und ein Tuch auf dem Kopf, das Nacken, Ohren und sogar die Stirnhaare der Blondine frei liess. So wie sich sonst eben nur die jungen, modebewussten Frauen auf Teherans Strassen wagen.
«Missachtung von Menschenrechten»
Damit war die offizielle Etikette zwar gerade noch gewahrt. In den Augen der Konservativen aber schien Schaake den Anlass ihres Besuches nicht zu würdigen. «Weiss die Europaabgeordnete nicht zu unterscheiden zwischen einem Schlafanzug und Kleidung, die für einen offiziellen Anlass angemessen ist», ereiferte sich Kouchakzadeh. Dass der Parlamentspräsident das angebliche «Verbrechen» zugelassen habe, bleibt ihm schleierhaft. Der Auftritt sei eine «Missachtung von Menschenrechten und islamischen Werten».
«Schwierigkeiten mit der holländischen Dame», titelte die konservative Zeitung «Haft Sobh» dem Spiegel zufolge. Den Konservativen gehe es um mehr als vermeintlich islamische Werte: Für sie sei der Auftritt ein Symbol europäischer Arroganz und Respektlosigkeit gegenüber dem Gastland gewesen.
Österreicher bringt das Fass zum Überlaufen
Schaakes Kollegen konnten ihren Auftritt nicht wettmachen. Im Gegenteil: Der Auftritt des 65-jährigen Österreichers Josef Weidenholzer machte die Sache sogar noch schlimmer. Er hatte bei dem Treffen mit Laridschani einen Rucksack über der Schulter hängen, «als ob es gleich zum Wandern ginge», schreibt der Spiegel. Die gesamte Delegation sei schliesslich als europäischer «Karneval» verspottet worden.
Tatsächlich hat zumindest Schaake den Eklat wohl ganz bewusst provoziert. «Viele Konservative haben meinen Kleidungsstil als respektlos und sogar 'unzivilisiert' bezeichnet», schreibt sie auf ihrem Blog. «Es gab aber auch viele freundliche Reaktionen, vor allem von Frauen in Iran, die sich wünschten, sie hätten die Freiheit, sich selbst auszusuchen, wie sie ihren Glauben ausdrücken und welche religiöse Kleidung sie tragen.»
«Wie ein Handtuch auf dem Kopf»
Sie hätte sich aber am meisten über einen Hinweis vor Ort gewünscht: «Es wäre besser gewesen, wenn mich meine Kritiker direkt informiert hätten, als sie mit mir im selben Raum waren, anstatt dies hinterher über die Medien zu tun», so Schaake weiter.
Das Netz ist von Schaakes Absicht allerdings auch nicht ganz überzeugt. Manche vermuten sogar, es handele sich um ein peinliches Versehen, das aus Mangel an Modebewusstsein erwachsen. Das Kopftuch liege wie ein Handtuch auf dem Kopf, schreibt etwa Tonton du Bled auf Twitter.
Schaakes Initiative kommt zur falschen Zeit
Die Frage der richtigen Kleidung von Europäern im Iran ist allerdings ein heisses Eisen. 2008 hatte die damalige Schweizer Aussenministerin Calmy-Rey beim Treffen mit Ahmadinejad ein Kopftuch getragen. Daraufhin hatte sie sich hierzulande den Vorwurf anhören müssen, sie habe sich Irans damaligem Präsidenten untergeordnet. Vor einem Jahr verzichteten SVP-Politiker zu ihrem Empfang beim Vorsitzenden der aussenpolitischen Kommission des iranischen Parlaments, Alaeddin Boroujerdi, auf ihre Krawatten. Diese gelten seit der Islamischen Revolution 1979 im Iran als typisch christlich-jüdisch, als Zeichen westlicher Dekadenz. Auch sie wurden als «Feiglinge» bezeichnet.
Schaakes Initiative bei ihrem siebten Besuch im Iran erfolgte nun aber zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Denn die Kleidungsdebatte torpediert den eigentlichen Grund des europäischen Besuches: Europa und Iran wollen ihre Beziehungen verbessern, und es soll bis Ende Juni endlich zu einer Einigung im Streit um Irans Atomprogramm kommen. (pom)