Pharmakonzerne von westlichen Staaten sind noch in Testphasen, um die Wirksamkeit und Sicherheit von Corona-Impfstoffen in der Entwicklungsphase zu prüfen. Derweil hat in Russland bereits eine Immunisierungskampagne von Krankenhausmitarbeitern in Moskau begonnen.
Laut Russlands stellvertretendem Gesundheitsminister Oleg Gridnew plant Moskau, den «ersten Covid-19-Impfstoff der Welt» noch diese Woche zu registrieren: am Mittwoch, dem 12. August, soll die Zulassung erfolgen. Sollte sich der Impfstoff als erfolgreich und ohne nennenswerte Nebenerscheinungen erweisen, wäre dies auch ein aussenpolitischer Prestigeerfolg für den im Westen isolierten russischen Premier Wladimir Putin (67).
Putin: Zulassung für Impfstoff kommt
Putin selber machte am Dienstag klar: Die Zulassung wird jetzt kommen. Und um zu zeigen, dass der Impfstoff keine Gefahr für die Patienten darstellt, fügte er hinzu: «Eine meiner Töchter führte die Impfung selbst durch.» Nach der ersten Injektion sei ihre Körpertemperatur kurz auf 38 Grad angestiegen, aber am nächsten Tag sei diese wieder auf 37 Grad gesunken.
Das gemeinsam vom Moskauer Forschungsinstitut für Epidemiologie und Mikrobiologie Gamaleja und dem russischen Verteidigungsministerium entwickelte Impfmittel habe sich in einer abschliessenden Studie im Burdenko-Militärspital als wirksam erwiesen. Die Ergebnisse hätten deutlich gezeigt, so das russische Verteidigungsministerium in einer Erklärung, dass alle Freiwilligen eine klare Immunantwort auf die Impfung zeigten, ohne dass es Nebenwirkungen oder Anomalien gab. Am 21. Tag nach der ersten Dosis habe sich bei Probanden Immunität gebildet.
WHO kritisiert russisches Schnellverfahren
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beeilte sich, Worte der Warnung auszusprechen. Der russische Impfstoff habe die dritte Studienphase der finalen Sicherheitsprüfung mit Massentests an Probanden einfach übersprungen. Die Zulassung sei verfrüht.
Russland zeigt sich davon aber unbeeindruckt. Im September soll die Massenproduktion beginnen, im Oktober eine Massenimpfkampagne im ganzen Land. Demnach hätten auch bereits rund zwei Dutzend Länder Interesse an dem Präparat bekundet – darunter auch die Philippinen. Präsident Rodrigo Duterte (75) bedankte sich am Montag für das russische Angebot, die Impfungen zu erhalten. Als Geste des Vertrauens und der Dankbarkeit werde er sich das Mittel gleich selber spritzen. «Wenn der Impfstoff eintrifft, werde ich mich in der Öffentlichkeit injizieren lassen. Experimentiert zuerst an mir, das ist mir recht», so Duterte.
Russlands Vektor-Impfstoff wählt die Abkürzung
Der russische Impfstoff mit dem kryptischen Namen «Gam-Covid-Vac Lyo» funktioniert so: Genetische Informationen des Coronavirus werden in den Körper geschleust, um Immunität hervorzurufen. Das Mittel ist ein sogenannter Vektor-Impfstoff. Basis sind Viren, sogenannte Vektoren, die dem Menschen nicht gefährlich werden können. Der Körper erkennt das Erbgut als fremd und bildet zur Abwehr Antikörper. Beim Zusammentreffen mit dem tatsächlichen Virus soll das eine Infektion verhindern.
Ob sich der Impfstoff auch bei Massentests als wirksam erweist, muss sich erst zeigen. Der US-Seuchenexperte Anthony Fauci (79) äusserte Anfang August die sorgenvolle Hoffnung, dass die Russen den Impfstoff besser testen, bevor sie ihn der Bevölkerung verabreichen. Um die Sicherheit des Impfstoffs zu beweisen, behauptet Alexander Ginzburg, Chef des Gamaleja-Forschungsinstuts und Entwickler des russischen Impfstoffs, das Mittel bereits an sich selbst getestet zu haben.
Nach der Zulassung am Mittwoch will Russland den Impfstoff an einer grösseren Gruppe von Menschen testen, was nach westlichen Standards die dritte Testphase vor einer Zulassung wäre. Dabei werden jeweils Zehntausende Probanden geimpft, wie es derzeit der Pharmamulti Moderna und andere tun, die für ihre Impfpräparate noch dieses Jahr die Zulassung erhalten wollen. Diese Phase gilt als die wichtigste, um auch seltenere unerwünschte Nebenwirkungen und solche aufzuzeigen, die sich erst später bilden. Russland nimmt dabei die Abkürzung.
Wettlauf der Weltmächte um Impfstoff
Neben den westlichen Pharmamultis Moderna und Astrazeneca haben auch die Chinesen die Nase vorn bei der Entwicklung von Vakzinen gegen Covid-19. Der Wirkstoff des Herstellers Cansino Biologics soll bereits eine beschränkte Zulassung fürs Militär erhalten haben.
Chinesische Konzerne wie Sinopharm oder Cansino Biologics testen ihre Mittel offenbar bereits in grösseren klinischen Studien. Dabei soll es nicht immer transparent zugehen. Menschen werden Berichten zufolge Mittel injiziert, bevor ausreichende Tests vorliegen, geschweige denn staatliche Genehmigungen.
In den USA hat Präsident Donald Trump (74) «Operation Warp Speed» mit einem Budget von 10 Milliarden Dollar in die Wege geleitet. Bei dem Programm sollen US-Konzerne und die Regierung gemeinsam an einem Strang ziehen. Spätestens im Oktober soll ein Impfstoff entwickelt sein. Im November sind Präsidentenwahlen. Einen besseren Wahlhelfer als einen wirksamen Impfstoff kann sich auch Trump schwerlich vorstellen.
Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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