Weshalb fiel Hongwei bei der Partei in Ungnade?
Interpol-Chef schickte Frau Messer-Emoji als Hilferuf

Fast zwei Wochen lang galt der unterdessen zurückgetretenen Interpol-Chef Meng Hongwei als Vermisst. Ein Hilferuf via Whatsapp ist das letzte, was seine Frau von ihm hört, nachdem er nach China gereist ist. Dann kommt heraus: Die chinesischen Behörden haben ihn bei seiner Ankunft direkt verhaftet.
Publiziert: 08.10.2018 um 05:55 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2018 um 17:01 Uhr

Die Instruktion «Warte auf meinen Anruf» und ein Messer-Emoji, das Gefahr bedeutet: Das waren die letzten Worte des unterdessen zurückgetretenen Interpol-Präsidenten Meng Hongwei an seine Frau Ende September. Nach seinem Hilferuf hörte seine Frau nichts mehr von ihm. Bis jetzt. Das Verschwinden des Vizeministers für öffentliche Sicherheit in China erzählt sich wie ein Krimi. Doch weshalb fiel Hongwei bei der Parte in Ungnade?

Ein Blick zurück: Der Chinese war am 25. September zu einem Besuch in seinem Heimatland China eingetroffen. Dann herrschte Funkstille zwischen Hongwei und seiner Frau Grace. Sie meldete ihn am vergangenen Donnerstag schliesslich bei den Behörden in Frankreich als vermisst – die internationale Polizeibehörde Interpol hat ihren Sitz in Lyon.

Zwei Wochen bleibt Hongwei spurlos verschwunden

Am Freitag wurden erste Informationen zu Hongweis Verbleib bekannt. Knapp zwei Wochen nach seiner Ankunft in China. Die Hongkonger Zeitung «South China Morning Post» berichtete, dass der 64-Jährige bei seiner Ankunft in Peking von der nationalen Disziplinarkommission abgeführt worden sei. 

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Foto: KEY

Daraufhin eröffnete die französische Justiz in Lyon eine Untersuchung über den Verbleib Hongweis. Wie AFP unter Berufung auf das Pariser Innenministerium meldete, wurde Hongweis Frau in Frankreich unter Polizeischutz gestellt, nachdem sie von Drohungen über soziale Netzwerke und per Telefon berichtet hatte.

Am Samstag forderte Interpol von China eine Stellungnahme zu dessen Verbleib. Die Polizeiorganisation habe die chinesischen Behörden um eine Klarstellung zu Hongweis «Status» gebeten und erwarte eine Antwort, teilte Interpol-Generalsekretär Jürgen Stock mit. 

Einen Tag später wandte sich Grace Hongwei mit einer Erklärung an die Öffentlichkeit. «Diese Angelegenheit betrifft die internationale Gemeinschaft», sagte sie in Lyon. Sie habe dabei aus Sorge um ihre Sicherheit den Kameras den Rücken zugedreht und mit zitternder Stimme gesprochen.

Foto: AP

Hongwei wird Korruption vorgeworfen

Stunden später folgten schliesslich gleich zwei offizielle Statements. Zuerst gaben die chinesischen Behörden bekannt, dass die nationale Disziplinarkommission gegen Hongwei ermittelt. Sie ist unter anderem für die Verfolgung von Korruption in den Reihen der Staatsbediensteten zuständig. Wie die Zeitung «Le Parisien» unter Berufung auf Quellen schreibt, wird Hongwei vorgeworfen, dass er «illegale Hilfe bei der Beschaffung von Verträgen für Dienstleistungen eines der im Bereich der Bekämpfung der Cyberkriminalität tätigen Unternehmens» geleistet hat.

Nach der Mitteilung aus Peking erklärte Interpol, dass eine Rücktrittserklärung Hongweis mit «sofortiger Wirkung» eingegangen sei. 

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Die Disziplinarkommission kann Parteifunktionäre für Monate oder Jahre während einer Untersuchung festhalten. Oft enden diese damit, dass die Funktionäre aus der Partei geworfen und zur Strafverfolgung an die Justiz verwiesen werden. 

Seitdem Xi Jingping die Macht als Präsident Chinas übernommen hat, hat die Kommission eine breit angelegte Antikorruptionskampagne durchgeführt, die alle Ebenen der Partei erfasst hat.

Was führte zu Hongweis Fall?

Hongweis Inhaftierung bedeutet, dass die Partei die inneren Konflikte als wichtiger erachtet als internationale Reputation. Für Julian Ku, Professor an der Maurice A. Deane School of Law der Hofstra University, ist klar: «Die Bewegungen der Partei in diesem Fall deuten darauf hin, dass die nationalen Erwägungen die internationalen überwiegen», sagte er gegenüber der «New York Times». «Das galt schon immer für China, aber vielleicht nicht so offensichtlich wie in diesem Fall.»

Es ist unklar, was zu Hongweis scheinbarem Untergang geführt habe. Es gibt aber Hinweise, dass er in Machtkämpfe verwickelt ist. Meng Hongwei hat Karriere im Polizeiministerium gemacht, als es noch unter der Führung des seither gestürzten und 2015 zu lebenslanger Haft verurteilten Sicherheitschefs Zhou Yongkang stand, der als Rivale von Staats- und Parteichef Xi Jinping galt. Der Präsident äusserte später den Verdacht einer Verschwörung.

Ku fügte an: «Die Tatsache, dass Meng ohne Vorankündigung an Interpol war, untergräbt die chinesische globale Öffentlichkeitsarbeit.» Es sei schwer vorstellbar, dass eine andere internationale Organisation sich wohl fühle, einen chinesischen Staatsbürger als Verantwortlichen zu benennen, ohne sich zu fürchten, dass dies passieren könnte.

Hongwei seit 2016 im Amt

Interpol ist die wichtigste internationale Polizeiorganisation der Welt. Die 192 Mitgliedstaaten tauschen unter anderem Informationen zu gesuchten Personen aus.

Hongwei war 2016 als erster Chinese zum Interpol-Präsidenten gewählt worden – eine international durchaus umstrittene Personalie. Sie hatte vor allem unter Menschenrechtlern Besorgnis ausgelöst. Amnesty International warf China damals vor, schon lange zu versuchen, Interpol für die Fahndung nach chinesischen Dissidenten und Aktivisten zu benutzen.

Der Interpol-Präsident wird immer für vier Jahre ernannt und steht dem Exekutivausschuss der Organisation vor. Dieses Gremium wacht über die Umsetzung der Entscheidungen der jährlichen Generalversammlung der Organisation. Für die Führung der Alltagsgeschäfte von Interpol ist Generalsekretär Stock verantwortlich. (sga/SDA)

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