Es ist die grosse Frage nach der Europawahl: Wer wird der nächste EU-Kommissionspräsident?
Kandidaten brauchen nicht nur Unterstützung von mindestens 21 der 28 Staats- und Regierungschefs, sondern müssen auch im EU-Parlament auf eine Mehrheit kommen.
Manfred Weber
Der CSU-Politiker ist Spitzenkandidat der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP). Sie wurde zwar wieder die stärkste Kraft im EU-Parlament, musste aber deutliche Verluste hinnehmen. Der 46-Jährige Diplom-Ingenieur aus Niederbayern ist seit 2014 EVP-Fraktionschef und in Brüssel gut verdrahtet. Mancher sieht aber als Manko, dass er bisher nie in Regierungsverantwortung stand.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) unterstützt offiziell die Bewerbung des CSU-Manns für das Amt des Kommissionschefs. Doch die Kanzlerin steht der Idee, dass nur ein Spitzenkandidat den Job bekommen kann, skeptisch gegenüber und scheint notfalls für andere Varianten offen. Weber braucht im EU-Parlament jedenfalls die Unterstützung von mindestens zwei weiteren Fraktionen, um Juncker-Nachfolger zu werden.
Frans Timmermans
Europas Sozialdemokraten sind mit dem niederländischen Ex-Aussenminister als Spitzenkandidat in die Wahl gegangen. Der 58-Jährige ist seit 2014 erster Vize-Präsident der EU-Kommission und damit Stellvertreter von Amtsinhaber Jean-Claude Juncker. In der Funktion ist er für die Strafverfahren wegen anhaltender Verstösse gegen EU-Werte wie Rechtsstaatlichkeit gegen Polen und Ungarn zuständig.
Ziel Timmermans' war es vor der Wahl, eine «progressive Koalition» mit Linken, Grünen und Liberalen gegen Webers Konservative zu schmieden, um Kommissionspräsident zu werden. Doch selbst mit diesen drei weiteren Fraktionen würde er im EU-Parlament nicht auf die notwendige Mehrheit von 376 der 751 Stimmen kommen, nachdem seine Sozialdemokraten deutliche Verluste verbuchten.
Margrethe Vestager
Die EU-Wettbewerbskommissarin hat sich mit einem harten Vorgehen gegen Marktmissbrauch und Steuervermeidung durch US-Internet- und Computerkonzerne wie Google oder Apple einen Namen gemacht. Das brachte der früheren dänischen Wirtschafts- und Innenministerin Lob von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ein, was Spekulationen über Vestager als Kandidatin für die Juncker-Nachfolge schürte.
Die 51-Jährige ist aber offiziell keine Spitzenkandidatin, sondern gehört nur einem liberalen «Spitzenteam» an. Bei der Wahl rückten die Liberalen nun von der viert- zur drittstärksten Kraft auf. Denn ihnen schloss sich nun unter anderem die Partei La République en Marche von Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron an.
Michel Barnier
Der ehemalige französische Aussen- und Agrarminister ist seit Oktober 2016 Brexit-Chefunterhändler der EU. Der Konservative wurde im vergangenen Jahr als möglicher EVP-Spitzenkandidat gehandelt. Da sich die Austrittsverhandlungen mit London aber in die Länge zogen, verzichtete der 68-Jährige auf eine Kandidatur und überliess Weber das Feld.
Ob Barnier eine Chance hat, hängt von vielen Faktoren ab: Er wird in Brüssel als möglicher Joker gesehen, wenn sich die anderen Kandidaten gegenseitig blockieren. Weber warnt jedoch, die EVP werde dann «zur lächerlichen Institution», wenn sie erst ihn zum Spitzenkandidaten küre und dann einen anderen Bewerber aus dem Hut zaubere. (SDA)