Wenn jeder Flüchtling so willkommen wäre …
Carles Puigdemont will seinen Unabhängigkeitskampf jetzt von Brüssel aus führen

Der entmachtete Katalanen-Präsident Carles Puigdemont will von Brüssel aus für ein unabhängiges Katalonien kämpfen. Zurückkehren werde er erst, wenn seine Sicherheit gewährleistet sei.
Publiziert: 01.11.2017 um 16:51 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 15:39 Uhr
Carles Puigdemont bei der Ankunft im Presseclub in Brüssel.
Foto: NICOLAS MAETERLINCK
Roman Rey

Als Carles Puigdemont (54) aus dem Auto steigt, herrscht vor dem Presseclub in Brüssel helle Aufruhr: Reporter wollen den abgesetzten Katalanen-Präsidenten vor die Linse bekommen, Schaulustige knipsen Handy-Fotos, mehrere Anhänger schwenken die katalanische Flagge. Was für ein Empfang für einen Flüchtling!

Am Wochenende hat sich Puigdemont in die belgische Hauptstadt abgesetzt. Gestern erklärte er, wieso: «Wir wollen unsere Politik im Herzen Europas vorantreiben.» Er sei aus Spanien geflüchtet, weil seine Sicherheit dort nicht gewährleistet sei, so Puigdemont. Vom Moment an, als die spanische Polizei die Kontrolle über die katalanische Polizei übernommen habe, hätten er und seine Kabinettskollegen keinen Schutz mehr gehabt.

Die Staatsanwaltschaft in Spanien hatte am Montag Anklage gegen Puigdemont und weitere Mitglieder der abgesetzten Regionalregierung erhoben, unter anderem wegen Rebellion. Ihnen drohen bis zu 30 Jahre Gefängnis.

Wie lange der entmachtete Katalanen-Präsident in Brüssel bleibt, steht in den Sternen. «Wir werden es sehen», sagt Puigdemont lakonisch. Er werde erst nach Katalonien zurückkehren, wenn ihm bestimmte «Zusicherungen» gemacht würden.

Zuvor war spekuliert worden, dass Puigdemont in Belgien Asyl beantragen würde. Dies habe er nicht vor, sagte er. Dabei würden ihn die lokalen Separatisten mit offenen Armen empfangen. Der belgische Staatssekretär für Asyl und Migration, Theo Francken, hatte am Wochenende die Möglichkeit von politischem Asyl ins Spiel gebracht. Francken ist Mitglied der nationalistisch-flämischen Partei N-VA.

Dennoch hat sich Puigdemont in Brüssel einen Anwalt genommen, der schon verfolgte Mitglieder der baskischen Separatisten-Organisation ETA vertreten hat. Er könnte sich also einen Asylantrag als letzte Option offenhalten, bevor er Belgien verlassen muss.

Damit könnte er Zeit schinden. Die Chancen auf einen positiven Bescheid sind aber gering, sagt Menschenrechts-Anwalt Marcel Bosonnet (68) zu BLICK. «EU-Staaten betrachten sich gegenseitig als sichere Herkunftsländer», so der Experte. «Es wird automatisch davon ausgegangen, dass ein Angeklagter im EU-Bereich keine politische Verfolgung oder Folter befürchten muss.»

Sollte Spanien eine Auslieferung verlangen, könnte es aber einen Stolperstein geben. «Das internationale Auslieferungsrecht sieht vor, dass ein Vergehen in beiden Ländern strafbar sein muss», sagt Bosonnet. Es stellt sich also die Frage, ob Belgien die Vorwürfe der spanischen Justiz an Puigdemont als strafbar anerkennt.

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