Montagfrüh, kurz vor 5 Uhr: Die Täter brachen an einem massiven, gusseisernen Fenstergitter einige Stäbe heraus. Dann zerschlagen sie das Fenster dahinter und gelangen ungestört, ohne Alarm auszulösen, ins Dresdner Residenzschloss. Mit Taschenlampen und Äxten bewaffnet stürmen zwei dunkle, auffällig kleine Gestalten direkt ins Juwelenzimmer: in die berühmte Schatzkammer des Grünen Gewölbes. Einer der Gangster zerschlägt eine Vitrine, dann bricht das Video ab. «Die Täter müssen sich ausgekannt haben», sagte Museumdirektor Dirk Syndram danach.
Erst am Montagmorgen wird klar, was die Räuber aus dem Grünen Gewölbe im Dresdner Residenzschloss gestohlen haben. Drei mit Edelsteinen besetzte Juwelengarnituren von unschätzbarem Wert. Sperrige Kunstgegenstände wie Vasen oder Gemälde liessen die Diebe zurück. Sie wussten offenbar genau, was sie wollten. Es ist die Rede vom einem Jahrhunderteinbruch, vom grössten Kunstraub in der Nachkriegsgeschichte.
Die Täter hatten laut Polizei bloss ein Fenstergitter und Fenster zu zerstören, um in die Räume einzudringen. Der Einbruch dauerte nur ein paar Minuten. Zwei Wachleute beobachteten die Einbrecher auf ihren Monitoren in Echtzeit und wählten daraufhin den Notruf. Dieser ging um 4.59 Uhr ein. Als die Polizei nur sechs Minuten später eintraf, waren die zwei Räuber bereits spurlos verschwunden. Fahnder gehen laut Berichten von weiteren Beteiligten aus.
«Gesichert wie Fort Knox»
Der Raub sah wie ein Spaziergang für die Ganoven aus. Für Besucher sind die Alarmsysteme unsichtbar, doch das Grüne Gewölbe sei «gesichert wie Fort Knox», sagte 2010 der ehemalige Chef der staatlichen Kunstsammlungen Dresden der «Welt». Das grösste Risiko, das System auszuhebeln, bleibe der menschliche Faktor. Wie immer sich die Täter Zugang verschafften, so sicher wie der berühmte US-Army-Stützpunkt, wo Goldreserven lagern, ist das Grüne Gewölbe offenbar nicht.
Die Fahndung gestaltet sich schwierig. Insbesondere die Suche nach DNA der Diebe sei laut einem Polizeisprecher nicht einfach in einem Museum, in dem ständig Betrieb sei.Im Zentrum der Ermittlungen steht, wie die beiden Gangster ins Innere gelangen konnten, ohne Alarm auszulösen, und weshalb die Vitrine so leicht in Brüche ging, obwohl sie aus Sicherheitsglas bestehen soll. Möglicherweise kappten die Täter die Stromzufuhr zum Alarmsystem, wie die Ermittler bestätigten, die am Nachmittag eine Sonderkommission namens «Epaulette» auf 20 Beamte verdoppelten. Ein Stromkasten unter einer nahen Brücke war angezündet worden, um den Tatort fiel die Strassenbeleuchtung aus. Die Polizei geht von einem direkten Zusammenhang zum Kunstdiebstahl aus.
Wie deutsche Medien unter Berufung auf Polizeikreise berichtet, dürften die Täter daraufhin mit einem Audi A6 geflüchtet sein, der später in einer rund zehn Fahrminuten entfernten Tiefgarage, rund fünf Kilometer vom Tatort weg, in Brand gesetzt wurde.
Was haben die Täter mit der Beute vor?
Der genaue Wert der gestohlenen Juwelengarnituren lässt sich nicht beziffern. Ihr Wert gilt als unschätzbar. Auch waren die gestohlenen Schätze nicht versichert. Für die Täter jedoch dürfte es schwierig werden, das Diebesgut zu veräussern. Die Exponate sind bekannt und deshalb schnell erkennbar. Viele Räuber von bekanntem Kunstgut werden in dieser Phase überführt, wenn sie einen oder mehrere Käufer suchen.
Doch die Professionalität des Raubes lässt darauf schliessen, dass es sich um keine Hobbyganoven handelt. Sie hatten es auf eine einzige, besondere Vitrine abgesehen. Möglich, dass sie im Auftrag eines Kunden handelten. Wenn nicht, ist es am sichersten für sie, die Diamanten herauszuarbeiten, das Gold und Silber umzuschmelzen und dann alles separat zu verkaufen.
Der besondere Wert der gestohlenen Schmuckstücke liegt weniger im Material als in der Vollständigkeit der Ensembles. Doch Profis wissen, solches Diebesgut als Ganzes zu verkaufen kann rasch auf die Spur der Täter führen. Sicherer für sie ist, das Raubgut auseinanderzubauen und einzuschmelzen, womit der historische Kunstschatz für immer verloren ginge.
Zwei gute Nachrichten
Zwei gute Nachrichten gibt es. Die Diebe wussten, ihnen blieben bloss ein paar Minuten. In der Eile liessen sie womöglich wertvolle Stücke liegen. Die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Marion Ackermann, sagte am Montagabend im ZDF: «Es sind relativ viele Werke in der Vitrine verblieben. Die Stücke waren einzeln befestigt, sie waren mit dem Untergrund mit Stichen vernäht und konnten nicht herausgerissen werden.»
Wenige Stunden nach dem spektakulären Kunstdiebstahl in Dresden hat in New York eine Ausstellung mit zahlreichen Leihgaben aus der berühmten Schatzkammer Grünes Gewölbe geöffnet. Der «Grüne Diamant» - ein Hut-Schmuckstück mit einem einzigartigen Stein von 41 Karat und natürlicher Färbung - verzaubert die Besucher des Met. Und könnte so gerettet worden sein. (kes)
Gestohlen wurden einige der kostbarsten Stücke der Juwelensammlung aus dem 18. Jahrhundert. Wie viele Teile genau die Kunsträuber erbeuteten und das Ausmass des Verlusts sind noch unklar. Das Museum bestätigte zunächst den Diebstahl von zehn Einzelstücken:
Grosse Brustschleife aus dem Schmuck der Königinnen: 1782 liess Kurfürst Friedrich August III. die Brustschleife mit ungewöhnlich reichem Diamantbesatz für seine Gemahlin Amalie Auguste anfertigen.
Bruststern des Ordens des Weissen Adlers, angefertigt zwischen 1746 und 1749 vom Juwelier Jean Jacques Pallard.
Weiterer Bruststern des Ordens des Weissen Adlers, auf dessen Rückseite sich die für einen Ordensritter obligatorische Devise «Pro / Fide / R(ege) / et Lege» findet.
Aigrette (Kopfschmuck) in der Form einer Sonne.
Perlenkette aus 177 Perlen, die vor 1734 aus den vogtländischen Gewässern gewonnen wurden.
Degen mit Scheide, bestehend aus neun grösseren und 770 kleineren Diamanten.
Haarteil in der Form eines Halbmondes.
Brosche in der Form eines Palmwedels aus 83 Brillanten.
Hutagraffe (Hutschmuck), hergestellt vom Juwelier Globig, die ungewöhnlich grosse Diamanten einfasst.
Weitere Hutagraffe, besetzt mit 15 grossen und 103 kleinen Diamanten.
Gestohlen wurden einige der kostbarsten Stücke der Juwelensammlung aus dem 18. Jahrhundert. Wie viele Teile genau die Kunsträuber erbeuteten und das Ausmass des Verlusts sind noch unklar. Das Museum bestätigte zunächst den Diebstahl von zehn Einzelstücken:
Grosse Brustschleife aus dem Schmuck der Königinnen: 1782 liess Kurfürst Friedrich August III. die Brustschleife mit ungewöhnlich reichem Diamantbesatz für seine Gemahlin Amalie Auguste anfertigen.
Bruststern des Ordens des Weissen Adlers, angefertigt zwischen 1746 und 1749 vom Juwelier Jean Jacques Pallard.
Weiterer Bruststern des Ordens des Weissen Adlers, auf dessen Rückseite sich die für einen Ordensritter obligatorische Devise «Pro / Fide / R(ege) / et Lege» findet.
Aigrette (Kopfschmuck) in der Form einer Sonne.
Perlenkette aus 177 Perlen, die vor 1734 aus den vogtländischen Gewässern gewonnen wurden.
Degen mit Scheide, bestehend aus neun grösseren und 770 kleineren Diamanten.
Haarteil in der Form eines Halbmondes.
Brosche in der Form eines Palmwedels aus 83 Brillanten.
Hutagraffe (Hutschmuck), hergestellt vom Juwelier Globig, die ungewöhnlich grosse Diamanten einfasst.
Weitere Hutagraffe, besetzt mit 15 grossen und 103 kleinen Diamanten.