Die islamistische Terrorgruppe Boko Haram hat im Nordosten Nigerias nach übereinstimmenden Angaben Hunderte Frauen und Kinder entführt. Die sunnitischen Kämpfer nahmen im Ort Damasak nahe der Grenze zum Niger rund 350 Frauen und Kinder als Geiseln, wie Usmanu Yusuf, ein örtlicher Beamter, sagte.
Der zurzeit in Damasak stationierte Soldat der Armee des Niger, Ibrahim Issa, berichtete, die dort verbliebenen Anwohner sprächen von bis zu 500 Entführten. Er schränkte aber ein, dass einigen auch die Flucht gelungen sein könnte.
Der nigerianische Regierungssprecher Mike Omeri bestätigte die Massenentführung am Mittwochabend. Es sei jedoch unklar, wie viele Menschen verschleppt wurden, sagte er.
Omeri zufolge flohen die Kämpfer der Terrormiliz mit ihren Geiseln, als Truppen der Nachbarländer Niger und Tschad Damasak vergangene Woche aus der Gewalt der Terroristen zurückeroberten. Erste Berichte über die Massenentführung in dem umkämpften Gebiet waren jedoch erst am Dienstagabend bekannt geworden.
Boko Haram terrorisiert seit 2009 den Nordosten Nigerias mit dem Ziel, dort einen sogenannten Gottesstaat zu errichten. Bei Anschlägen und Angriffen der Gruppe kamen seither mindesten 13'000 Menschen ums Leben. Rund 1,5 Millionen Menschen sind vor der Gewalt geflohen.
Die brutale Machtdemonstration Boko Harams kommt für Präsident Goodluck Jonathan höchst ungelegen: Er bewirbt sich am Samstag um eine weitere Amtszeit. Zuletzt hatten die Streitkräfte des westafrikanischen Landes Erfolge im Kampf gegen Boko Haram verkündet, vor allem Dank militärischer Hilfe der Nachbarländer.
Die Entführung zeigt jedoch, dass die brutale Terrormiliz in Teilen des Nordostens immer noch ungestraft ihr Unwesen treiben kann. Die Wahl vom Samstag sollte ursprünglich bereits Mitte Februar stattfinden, wurde aber wegen der prekären Sicherheitslage in letzter Minute um sechs Wochen verschoben.
Die Terrormiliz zwingt ihre Geiseln, zum Islam zu konvertieren, versklavt sie oder verheiratet sie zwangsweise. Die neue Massenentführung rief auch den Fall der mehr als 200 vergangenes Jahr verschleppten Schülerinnen aus Chibok wieder in Erinnerung.
Trotz eines internationalen Aufschreis und einer damals von vielen Prominenten unterstützten Kampagne fehlt von den überwiegend christlichen Schülerinnen seither jede Spur.
Der Herausforderer Jonathans bei der Wahl am Samstag, der frühere Militärmachthaber Muhammadu Buhari, verspricht, er werde Boko Haram ausmerzen. Beobachter räumen dem Muslim Buhari gute Chancen ein, den Christen Jonathan zu besiegen. Es wäre die erste Wahlniederlage eines Amtsinhabers seit der Unabhängigkeit Nigerias 1960. (sda)