Als ein ukrainischer Soldat Leda Kosmatschewska fragte, ob sie seine Frau werden will, sagte sie Ja. Doch hinter dem Antrag steckten keine romantischen Absichten. Der Soldat, ihr Kumpel aus der Kindheit, ist schwul. Seinen Partner kann er nach ukrainischer Gesetzgebung nicht heiraten. Die Scheinehe ist seine einzige Hoffnung, seinem Partner zumindest über die Ukrainerin das Recht zu geben, in einer ernsten Situation Entscheidungen zu treffen und über das Vermögen zu verfügen.
Der schwule Soldat hatte sich im Februar freiwillig gemeldet, um für sein Vaterland zu kämpfen. Jetzt soll er ins Kampfgebiet versetzt werden. Der Soldat macht sich grosse Sorgen, was mit ihm und seinem Lebenspartner passiert, wenn er stirbt oder handlungsunfähig ist. Der ukrainische Soldat hat keine nahen Verwandten. Kosmatschewska willigte ein, seine Ehefrau zu werden. «Nicht weil ich ihn liebe, sondern weil der Präsident meines Landes noch nicht auf die Forderung der Gesellschaft reagiert hat, indem er die Petition zur gleichgeschlechtlichen Ehe unterzeichnet», schreibt sie auf Facebook.
Sollte ihr künftiger Ehemann sterben, werde sie den Lebenspartner unterstützen, sagt sie gegenüber «BBC News Ukraina». Rechtlich bietet die Ehe Vorteile. Denn: Die Ehefrau darf Dokumente unterschreiben, den Ehemann im Krankenhaus besuchen und sein Vermögen erben, beziehungsweise Entschädigung fordern. Der Lebenspartner des Soldaten kann das nicht. Dass die beiden seit 15 Jahren eine Beziehung führen, spielt für das Gesetz keine Rolle.
Gleichgeschlechtliche Ehen sind in der Ukraine illegal
Kehrt der ukrainische Soldat lebend zurück, wollen sich die beiden scheiden lassen. Kosmatschewska hält fest, dass sie keine LGBT-Aktivistin sei, sondern ihren Kumpel aus Liebe zu ihrem Land heiratet. «Ich werde seine Ehefrau, weil ich mein Land liebe und hoffe, dass dieses Land all seine Bürger liebt – unabhängig von ihrem Geschlecht oder ihrer sexuellen Orientierung», sagt sie.
In der Ukraine gab es im Sommer eine elektronische Petition zur Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen. Mehr als 25'000 Unterschriften wurden gesammelt – genug, um auf eine Reaktion des Staatsoberhauptes zu bestehen. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (44) verwies daraufhin auf die Verfassung im Familiengesetzbuch. Die Ehe sei die Vereinigung zwischen Mann und Frau. Dieses Grundgesetz könne man laut Selenski nicht während des Krieges ändern. Laut dem Menschenrechtszentrum «Our World» befürworten nur 23,6 Prozent der ukrainischen Bürger die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen.
Ob Kosmatschewska aber nun – nachdem sie öffentlich von ihren Absichten erzählt hat – ihren schwulen Freund heiraten kann, ist fraglich. Unter Umständen wird die Scheinehe gar nicht erst geschlossen oder später dann angefochten. Denn das Ziel einer Ehe sollte in der Ukraine vor allem die Familienplanung sein, weshalb Blutsverwandte zum Beispiel ein Interesse daran haben könnten, die Ehe vor Gericht anzuzweifeln, schreibt die ukrainische Zeitung «Pravda».