Konkret wird den derzeitigen und früheren Mitarbeitern der regierungskritischen Zeitung beim Prozess in Istanbul nach Angaben ihrer Anwälte Unterstützung von Terrororganisationen wie der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, der linksextremen DHKP-C oder der Gülen-Bewegung vorgeworfen. Die türkische Führung macht die Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen für den Putschversuch vom 15. Juli 2016 verantwortlich.
Nach Angaben von Reportern ohne Grenzen drohen den Angeklagten bis zu 43 Jahre Haft. Beschuldigt sind unter anderem der ehemalige «Cumhuriyet»- Chefredakteur Can Dündar, der in Deutschland im Exil lebt, der derzeitige Chefredakteur Murat Sabuncu, «Cumhuriyet»-Herausgeber Akin Atalay und der bekannte Investigativjournalist Ahmet Sik. Zusammen mit neun weiteren Person sitzen sie gerade in Untersuchungshaft.
Demonstration vor Gericht
Mehrere Organisationen, darunter Reporter Ohne Grenzen, hatten die Terrorvorwürfe als «politisch motiviert» zurückgewiesen. Vertreter von mehreren Organisationen wollten am Montag vor Prozessbeginn an einer Demonstration vor dem Gericht teilnehmen.
In der Anklageschrift wird Dündar unter anderem beschuldigt, die Blattlinie geändert zu haben. Die Zeitung habe unter seiner Führung die «Terrororganisationen» PKK, die Gülen-Bewegung und die DHKP-C verteidigt, heisst es.
Als Indizien werden unter anderem Artikel angeführt. Etwa ein Bericht aus dem Jahr 2015, in dem die «Cumhuriyet» geheime Informationen veröffentlichte, die Waffenlieferungen der Regierung an Rebellen in Syrien belegen sollen.
Dafür wurden Dündar und der Hauptstadtbüroleiter Erdem Gül in einem anderen Verfahren schon zu mehrjährigen Haftstrafen wegen Geheimnisverrats verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Auch Twitter-Nachrichten der Journalisten werden in der Anklage aufgeführt. Im Fall des Investigativ-Journalisten Sik etwa mehrere, die den Konflikt zwischen der Regierung in Ankara und der PKK im Südosten des Landes thematisieren.
Reporter ohne Grenzen, die Europäische Journalistenvereinigung, Pen International, das International Press Institute und das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit kritisierten, in keinem Land der Welt seien mehr Journalisten hinter Gittern als in der Türkei.
Nach Angaben der Europäischen Journalistenvereinigung sind dort inzwischen mehr als 150 Journalisten inhaftiert. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt die Türkei auf Platz 155 von 180.
Seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 und der Verhängung des Ausnahmezustands gehen die türkischen Sicherheitskräfte mit besonderer Härte gegen kritische Journalisten vor. Auf der Rangliste zur Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen steht die Türkei derzeit auf Platz 155 - hinter Weissrussland und der Demokratischen Republik Kongo. (SDA)