Die niederländische Regierung von Ministerpräsident Mark Rutte (56) ist im Streit um die Migrationspolitik zerbrochen. Die Spitzen der vier Regierungsparteien hätten sich am Freitagabend nicht auf Schritte zur angestrebten Einschränkung des Flüchtlingszuzugs einigen können, berichtete die Nachrichtenagentur ANP unter Verweis auf Regierungskreise.
Knackpunkt bei der Krisensitzung war eine Beschränkung des Familiennachzugs von Flüchtlingen, die sich bereits in den Niederlanden aufhalten und die Ruttes rechtsliberale Partei VVD gefordert hatte. Diese Forderungen gingen den anderen Parteien zu weit. Offenbar ging die Initiative zur Aufkündigung der Regierung von der konservativen ChristenUnie aus. Nach einer ausserordentlichen Ministerratssitzung am Abend wollte der Premier über die Lage informieren.
Neun Monate Koalitionsverhandlungen
Mark Rutte ist seit knapp 13 Jahren Ministerpräsident der Niederlande und damit einer der am längsten amtierenden Regierungschefs der EU. Seit Januar 2022 führte er sein viertes Kabinett nach Koalitionsverhandlungen, die gut neun Monate gedauert hatten und damit die längsten in der Geschichte des Landes waren. Insgesamt vier Parteien waren nötig, um eine Mehrheit in der Zweiten Kammer des Parlaments zu erreichen, das waren Ruttes rechtsliberale VVD, die linksliberale D66, die christdemokratische CDA und die kleine ChristenUnion.
Nach zahlreichen Krisen waren die Umfragewerte der Koalition stark gesunken. Bei der jüngsten Provinzialwahl im März, bei der auch die Erste Kammer des Parlaments gewählt wurde, hatten alle Regierungsparteien deutliche Verluste verbucht. Grosser Wahlsieger wurde die rechtspopulistische Bauerbürgerbewegung BBB, die auf Anhieb stärkste Kraft wurde. In der Zweiten Kammer ist die BBB nur mit einer Abgeordneten vertreten. Bei einer Neuwahl wird der Partei grosser Erfolg vorhergesagt. (SDA)