Eine Missbrauchsszene mit nackter Frau erregte in der Neuaufführung von Gioachino Rossinis Oper «Wilhelm Tell» gestern Abend in London die Gemüter. Das Publikum im edlen Königlichen Opernhaus drückte mit lauten Buhrufen seinen Unmut aus.
Stein des Anstosses war eine Szene bei einem Festessen, bei dem Offiziere der österreichischen Besetzerarmee eine Frau übel traktieren. Die Männer flössen der Frau Champagner ein, streicheln sie mit einer Waffe - und reissen ihr die Kleider vom Leibe, bevor sie sie zwingen, auf den Bankettisch zu liegen.
Operndirektor verteidigt Szene
Kaspar Holten, Direktor des Royal Opera House, sah sich nach der harschen Publikumsreaktion gezwungen, eine Erklärung zu veröffentlichen, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete. Es gebe eine Szene in der Produktion, welche die Aufmerksamkeit auf den Missbrauch von Frauen in Kriegszeiten lenken solle, heisst es darin.
Sexuelle Gewalt sei eine tragische Tatsache im Krieg, fuhr er fort. Es sei beabsichtigt, dass die Szene ein unbequemes Gefühl hervorrufe. Wenn sie einige Leute erschüttert habe, tue ihm das aber leid.
Der italienische Regisseur Damiano Michieletto verteidigte die Szene: Wenn man die Brutalität, mit der die Leute hätten umgehen müssen, nicht spüren könne, wenn man sie verstecke, dann werde es «etwas für Kinder». Er werde gar nichts ändern.
Rossinis «Wilhelm Tell» basiert auf Friedrich Schillers Schauspiel über den mythischen Schweizer Nationalhelden aus dem Jahr 1804. Die Oper wurde 1829 in Paris uraufgeführt worden - ohne die Nacktszene. (SDA)