Es ist ein denkwürdiger Geburtstag. Und dies nicht, weil es ein runder ist. Der russische Präsident Wladimir Putin feiert am Freitag seinen Siebzigsten. Wie Kremlsprecher Dmitri Peskow kurz vorab mitteilt, will sich Putin im prunkvollen Konstantinpalast in seiner Heimatstadt St. Petersburg feiern lassen. Wer kommen soll, verrät der Kreml nicht. Allerdings: Grund zur Freude dürfte der Alleinherrscher nur wenig haben. Denn er scheint auf dem Weg der politischen Selbstzerstörung zu sein.
Sein Herrschaftssystem droht in sich zusammenzubrechen. Von der Stabilität, die Putin über Jahrzehnte konstant und kontinuierlich verfolgte – durch Staatsbesuche auf der ganzen Welt, sportliche Events und insbesondere die Pflege von Beziehungen zur westlichen Welt – ist nichts mehr zu merken.
Auch sein Image vom gerissenen Taktiker, der die hybride Kriegsführung perfektioniert hat, erfolgreich Bündnisse schmieden kann und seinen Gegnern immer einen Schritt voraus ist, hat in wenigen Monaten tiefe Risse bekommen. Die gross angekündigte Aktion im Februar, mit einer sogenannten militärischen Spezialoperation das Nachbarland Ukraine zu überrumpeln und in die Knie zu zwingen, ist offenkundig gescheitert.
Scheinreferenden und Mobilmachung
Wladimir Putin hat aufgrund des anhaltenden Krieges in vier ukrainischen Regionen Scheinreferenden zur Annexion verkündet. Zudem hat er die obligatorische Mobilmachung russischer Soldaten angeordnet, um seine Streitmacht zu erweitern. Und allgemein droht er immer heftiger mit dem Einsatz von Atomwaffen, auch mit Blick auf die westliche Welt. Der Krieg dürfte indes andauern. Die Ukrainer verteidigen ihr Land und ihre Werte entschieden, sie weichen nicht.
Mittlerweile geht der Politikwissenschaftler Roman Rukomeda davon aus, dass Putin vor den Trümmern seines politischen Schaffens steht, wie er gegenüber dem Nachrichtenportal «Euractiv» sagt. Viele Expertinnen und Experten teilen diese Ansicht.
In der westlichen Welt ist Putin nicht nur wegen der verhängten Sanktionen wie der eingefrorenen Konti von Oligarchen isoliert. Die Nachbarstaaten fürchten ihn zudem weniger als in seiner bisherigen Amtszeit. So sind im Grenzgebiet von Armenien und Aserbaidschan wieder Kämpfe ausgebrochen, und hinter den beiden verfeindeten Staaten steht niemand anderes als Russland sowie die Türkei.
Ausserdem scheint es, Putins Handeln ist den neutralen Ländern China und Indien eher unangenehm. China geht auf Distanz. Wie der Jurist und Experte für russisches Recht, Bernd Wieser, gegenüber der «Kleinen Zeitung» sagt, würde es eine Annexion der Ukraine nicht anerkennen, das vor dem Hintergrund seiner politischen Querelen mit Tibet. Dasselbe gilt für Indien. Premierminister Narendra Modi teilte Putin im vergangenen Monat zwar friedlich, aber doch bestimmt mit, dass jetzt keine Zeit für Krieg sei.
Hunderttausende sind geflohen
Nicht zuletzt muss sich der Kreml-Chef nach innen rechtfertigen. Putin hat sein Gesicht zu wahren, um die Macht zu halten, Aufgeben ist für ihn keine Option. Er muss nicht nur seinen russischen Politikerkollegen gegenüber Rechenschaft ablegen, sondern auch gegenüber seinem Volk. Unterdessen sind beispielsweise Hunderttausende junge Männer geflohen, die sich nicht rekrutieren lassen wollen. Darunter sind wichtige Fachkräfte und Gelehrte des Landes.
Der Druck wächst. Vorwärts geht es für Wladimir Putin nicht, und rückwärts kann er nicht gehen. Doch eines ist klar: Meldungen von der Kriegsfront taugen für ihn nicht als Geburtstagspräsent.