Der Erlass vom 21. März war ganz im Sinne der italienischen Corona-Strategie. Häftlinge über 70 und jene mit Vorerkrankungen sollten raus aus den Haftanstalten. Grund: Sie seien durch das Virus ganz besonders gefährdet. Das Rundschreiben, verfasst vom Strafvollzugsamt des italienischen Justizministeriums, erreicht auch die Hochsicherheitsgefängnisse, wo die ganz schweren Jungs in Isolationshaft sitzen. Und so durften Ende April auch 376 Mafiosi nach Hause.
Legendäre Bosse der sizilianischen Cosa Nostra, der kalabrischen `Ndrangheta und der neapolitanischen Camorra konnten die Zellen verlassen und hocken nun in ihren Mafia-Nestern im Hausarrest.
Mafiosi sind krank und alt
Unter ihnen ist Leoluca Bagarella (78), genannt «Don Luchino». Der ehemalige Schwager von Mafia-König Totò Riina (†87) und verurteilter Massenmörder gilt als gesundheitlich stark angeschlagen. Francesco Bonura (78), einst mächtigster Pate in Palermo, ist ebenfalls wieder zu Hause. Der zu 23 Jahren Knast verurteilte Mafioso leidet an Darmkrebs und hatte grad eine Chemotherapie. Wegen einer Immunschwäche durfte auch der Boss des Clans von Lamezia Terme, Vincenzino Iannazzo (65), zurück in seine kalabrische Heimat.
Besonders empört die Entlassung von Franco Cataldo (85). Der Sizilianer hatte 1996 mitgeholfen, den zwölfjährigen Giuseppe Di Matteo zu entführen. Der Bub wurde erwürgt, seine Leiche in Säure aufgelöst. Dafür wurde Cataldo zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
Italiens Rechte fordert Rücktritt von Justizminister
Die mafiafreundlichen Corona-Massnahmen zogen einen Sturm der Entrüstung nach sich. Nicht nur Angehörige der Opfer empörten sich, auch italienische Politiker aus sämtlichen Reihen. Lega-Chef Matteo Salvini (47) nennt die Freilassung der Paten eine «nationale Schande», und Giorgia Meloni (43) von der rechtsnationalen Partei Fratelli d`Italia fordert gar den Rücktritt des Justizministers Alfonso Bonafede (43).
Der Fünf-Sterne-Mann versucht nun politisch noch die Kurve zu kriegen. Seit Tagen bastelt er an einer Gesetzesänderung, mit der er die hochkarätigen Gangster wieder einfangen und ins Kittchen stecken kann. Das Hauptargument des Ministers: Die Neuinfizierungen gingen zurück und somit auch die Ansteckungsgefahr in den Gefängnissen.