Wegen Berichten über den Missbrauchsprozess gegen den ehemaligen Vatikan-Finanzchef George Pell in Australien drohen 23 Journalisten Geldstrafen oder sogar Haft. Die Staatsanwaltschaft des Bundesstaats Victoria erhob am Dienstag Anklage. Ihnen wird zur Last gelegt, gegen eine gerichtlich angeordnete Nachrichtensperre verstossen zu haben (BLICK berichtete).
Kardinal Pell (77) gehörte einst zu den einflussreichsten Kirchenleuten der Welt. Im Juni 2017 wurde er von Papst Franziskus persönlich von all seinen Aufgaben freigestellt. Pell wurde beschuldigt, zwischen 1978 und 2001 Minderjährige sexuell missbraucht zu haben.
23 Journalisten und 13 Medienhäuser angeklagt
Wegen sexuellen Missbrauchs von zwei Chorknaben in den Neunzigern ist er nun in diesem Monat zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Über dieses Verfahren durfte lange Zeit nicht berichtet werden. Trotzdem titelten die australischen Medien zum Beispiel mit geschwärzten Titelseiten und der Schlagzeile «Zensiert».
Die Staatsanwaltschaft veröffentlichte jetzt die Namen von 23 Journalisten und 13 Medienhäusern, die auf unterschiedliche Weise gegen die Nachrichtensperre verstossen haben sollen. Betroffen sind renommierte Blätter wie der «Sydney Morning Herald», die «Brisbane Times» oder «The Age». Ausländische Journalisten und Medien sind nicht darunter.
Hohe Geldstrafen und bis zu fünf Jahre Gefängnis
Die Verfahren sollen Mitte April vor einem Gericht in Melbourne beginnen. Den Journalisten drohen Haftstrafen von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafen von umgerechnet rund 70'000 Franken. Die Maximalstrafe für Medienunternehmen beträgt fast eine halbe Million.
Während des mehrmonatigen Prozesses gegen Pell durfte über das Verfahren praktisch nicht berichtet werden – eigentlich auch nicht in ausländischen Medien, wenn diese in Australien empfangen werden konnten. In Zeiten des Internets kam dies einem strikten Verbot gleich. Viele sahen darin eine Einschränkung der Pressefreiheit.
Neuer Prozess gegen Pell im 2019
Das Gericht begründete die sogenannte «Suppression Order» damit, dass Geschworene in einem anderen Verfahren gegen Pell von den Berichten beeinflusst werden könnten. Im Frühjahr 2019 startet nämlich der Prozess, der die Missbrauchsfälle von Pell aus den Siebzigern untersucht. (sda/frk)