Was tun mit den vielen schlecht ausgebildeten Flüchtlingen?
Deutsche suchen Lösung in der Schweiz

Für Flüchtlinge aus Syrien ist die Eingliederung in den Arbeitsmarkt aufgrund des Bildungsstandarts schwierig. Bildungsforscher Ludger Wössmann schlägt vor, sich an Modellen der Schweiz zu orientieren.
Publiziert: 08.12.2015 um 20:10 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 17:35 Uhr
Von Guido Felder

In Deutschland macht sich Ernüchterung breit: Gegen zwei Drittel der Flüchtlinge aus Syrien könnten funktionale Analphabeten sein. Der deutsche Bildungsforscher Ludger Wössmann warnt eindringlich vor den Folgen. Es werde schwierig, diese Migranten überhaupt in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Darum fordert Wössmann nun Bildungsmassnahmen nach Schweizer Vorbild.

Wössmann ist Leiter des IFO Zentrums für Bildungsökonomik in München. Im Auftrag der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat er die Bildung in 81 Ländern verglichen. Sein Fazit über Syrien: 65 Prozent der Schüler verfügen in Rechnen und Naturwissenschaften nicht über die Grundkompetenzen. In der achten Klasse haben sie einen Bildungsrückstand von vier bis fünf Schuljahren.

Die Studie wurde 2011 durchgeführt, also noch vor Ausbruch des Bürgerkriegs, unter dem das Schulsystem massiv leidet. Wössmann zu BLICK: «Leider konnten bisher bei Flüchtlingen selber noch keine Untersuchungen zur Bildung durchgeführt werden. Die in Syrien erhobenen Zahlen geben aber Hinweise auf die Flüchtlinge.»

Allein in diesem Jahr kamen in Deutschland bisher eine Million Flüchtlinge an, die Hälfte davon Syrer. Europa erwarte mit dem Flüchtlingsstrom neue Fachkräfte. Ludger Wössmann relativiert: «Man muss realistisch sein: Rund zehn Prozent der Kriegsflüchtlinge haben einen Hochschulabschluss, wobei unklar ist, inwieweit dieser mit dem Niveau in Europa vergleichbar ist. Natürlich kommen qualifizierte Leute, aber deren Anteil ist relativ klein.»

Wössmann, der für seine Forschungen mehrfach ausgezeichnet wurde, prophezeit: «Zwei Dritteln der jungen Syrer, die gemäss internationalen Bildungsstandards als funktionale Analphabeten gelten, wird die Ausbildungsreife für hiesige Betriebe mehrheitlich fehlen.»

Als Massnahmen schlägt Wössmann das Schweizer Modell vor: Der Mindestlohn, den es in der Schweiz auf Gesetzesebene nicht gibt, ist hinderlich. Deutschland soll Ausnahmen von seinen starren Vorgaben zulassen, damit auch schlecht qualifizierte Kräfte einen Job finden. Wössmann: «Wer schön daherredet, ein niedriger Mindestlohn verstosse gegen die Würde der Flüchtlinge, soll die ganze Wahrheit sagen: Nämlich, dass er in Kauf nimmt, dass ein grosser Teil der Flüchtlinge niemals in den Arbeitsmarkt integriert wird.»

Auch bei der Ausbildung sollten die Deutschen bei den Schweizern abschauen. Wössmann: «Wir brauchen zweijährige Attestlehren wie in der Schweiz, in denen sich die Lehrlinge auf die Praxis konzentrieren und der theoretische Anteil niedriger ist.»

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