Darum gehts
Die Zeichen standen auf Aufbruch, doch nun hat sich das beliebte Ferienland Portugal überraschend zu einem neuen europäischen Krisenherd entwickelt. Nach nur knapp einem Jahr ist die konservative Minderheitsregierung von Ministerpräsident Luís Montenegro (52) gestürzt worden. Bis zu den Neuwahlen am 18. Mai ist das Land praktisch lahmgelegt, weil die Regierung kaum handlungsfähig ist.
Die Wahlen könnten in Portugal eine Wende einläuten – ähnlich wie in Deutschland oder Österreich. Denn während die Wähler der beiden führenden Parteien, des konservativ-liberalen Partido Social Democrata (PSD) und des sozialdemokratischen Partido Socialista (PS), immer überdrüssiger sind, freut sich eine junge Partei über grossen Zulauf: die rechtspopulistische Chega. Blick beantwortet die Fragen zur Krise – auch, wie sicher unsere Ferien noch sind.
Wie kam es zum Regierungssturz?
Ausschlaggebend war die Firma Spinumviva, die Ministerpräsident Luís Montenegro 2021 – also drei Jahre vor seiner Wahl – gegründet hatte. Die Opposition wirft ihm vor, dass er dem Beratungsunternehmen Aufträge zugeschanzt habe. Montenegro bestreitet die Vorwürfe und verweist darauf, dass die Firma inzwischen seinen Söhnen Hugo und Diogo gehöre.
Während der Affäre überstand Montenegro in den vergangenen Monaten zwei Misstrauensvoten. Weil die Opposition auf einer Untersuchungskommission beharrte und er sich gegen Ermittlungen wehrt, stellte er am Dienstag die Vertrauensfrage. Er verlor sie mit einem schlechten Resultat von 144 gegen 88 Stimmen. Es kommt daher zu den dritten vorgezogenen Neuwahlen in gut drei Jahren.
Welche Auswirkungen hat die Krise?
Portugal fällt in den Schlummermodus. Die aktuelle Regierung darf nur noch verwalten und hat nur begrenzte Befugnisse für weitere Entscheidungen. Mehrere Projekte müssen zurückgestellt werden. Dazu gehört die Privatisierung der Fluggesellschaft TAP.
Weiter bleiben auch wirtschaftliche Reformen und der Ausbau der Infrastruktur auf der Strecke. Zurzeit befindet sich Portugal daran, 22 Milliarden aus dem EU-Entwicklungstopf zu verteilen.
Wie sicher sind meine Ferien?
Die Regierungskrise hat keine Auswirkungen auf den Tourismus. Johannes Kabatek, Portugal-Experte an der Universität Zürich, sagt gegenüber Blick: «Es wird aber in den nächsten Tagen bestimmt vermehrt Demonstrationen geben.» Die letzten grossen Kundgebungen fanden Ende September 2024 gegen die unkontrollierte Einwanderung und im November für höhere Löhne statt.
• Fläche: 92'212 km² (Schweiz: 41'285 km²)
• Einwohner: 10,4 Millionen (Schweiz: 9 Millionen)
• BIP* pro Kopf: 27'835 Dollar (Schweiz: 101'510 Dollar)
• Sprachen: Portugiesisch (regional Mirandesisch)
• Unabhängigkeit: 1143
• Währung: Euro
* Bruttoinlandprodukt nominal
• Fläche: 92'212 km² (Schweiz: 41'285 km²)
• Einwohner: 10,4 Millionen (Schweiz: 9 Millionen)
• BIP* pro Kopf: 27'835 Dollar (Schweiz: 101'510 Dollar)
• Sprachen: Portugiesisch (regional Mirandesisch)
• Unabhängigkeit: 1143
• Währung: Euro
* Bruttoinlandprodukt nominal
In welche Richtung steuert Portugal?
Im Hinblick auf die Wahlen ist das Rennen im Moment offen. Weder PSD noch PS haben bei Umfragen einen klaren Vorsprung. Dahinter lauern die Rechtspopulisten der Chega, die mit den etablierten Parteien unzufrieden sind. Kabatek: «Die Chega dürfte sicherlich profitieren.» Die zentralen Parteien müssten alles daran setzen, um glaubhaft zu vermitteln, dass sie sich neu und stabilisiert aufstellen können.
Vor allem junge Männer zwischen 18 und 34 Jahren stehen hinter der Chega, die auf Tiktok sehr aktiv ist. António Costa Pinto, Politikwissenschaftler an der Universität Lusófona, erklärte gegenüber euronews.com: «Sie haben es mit einem sehr niedrigen Durchschnittslohn und einer Wirtschaft zu tun, die keine ausgebildeten jungen Menschen aufnehmen kann. Die Auswanderung ist in vielen Fällen die einzige Alternative für diese qualifizierten Arbeitskräfte.»
Wie extrem ist die rechte Chega?
Gegründet wurde die Chega, deren Name soviel wie «Es reicht!» heisst, 2019 von André Ventura (42). Der Jurist und Finanzbeamte politisierte vorher für die Partido Social Democrata. Schon 2024 erzielte die Chega mit 18 Prozent ein Glanzresultat und wurde drittstärkste Partei. Sie ist unter anderem gegen Abtreibung, gegen das öffentliche Bildungswesen, gegen politische Korrektheit und gegen Steuern. Ihr werden Rassismus, Islamophobie und Angriffe auf die Roma und Sinti vorgeworfen.
Im Europa-Parlament ist die Chega Teil der Fraktion Identität und Demokratie (ID), der auch die österreichische FPÖ, die italienische Lega und der französische Rassemblement National angehören. Bis 2024 war auch die deutsche AfD Mitglied der ID, wurde aber wegen ihrer extremen Ausrichtung ausgeschlossen.
Die beiden grossen portugiesischen Parteien haben bisher eine Zusammenarbeit ausgeschlossen. Wie in Deutschland gegen die AfD, bilden sie gegen die Chega eine Brandmauer.