Warum Hardliner Franziskus zusetzen
Der kraftlose Papst

Der Papst und die katholische Kirche stehen fast permanent im Kreuzfeuer der Kritik. Die Kirche braucht Reformen, doch die bleiben weitgehend aus. Laut Vatikan-Experte Gianluigi Nuzzi tobt im Vatikan nämlich ein Krieg.
Publiziert: 05.10.2018 um 15:16 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 18:27 Uhr
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Angeschlagen: Das Image von Papst Franziskus ist stark beschädigt.
Foto: imago/ZUMA Press
Flavio Razzino

Die katholische Kirche kommt nicht aus der Krise. Letzter Skandal: die Vertuschung sexueller Missbräuche durch kirchliche Würdenträger. Mittendrin Papst Franziskus (81). Für viele einst Hoffnungsträger, der versprach, sich als Hirte einer armen Kirche für Arme starkzumachen. Mittlerweile ist sein Image arg beschädigt, viele Reformen wurden nie umgesetzt.

Franziskus kämpft um seine Macht

«Dio onnipotente», raunen italienische Katholiken, wenn sie beten. Und allmächtig sollte eigentlich auch der Papst in der Führung der katholischen Kirche sein. «Papa impotente» passe aber besser, sagt Vatikan-Insider Gianluigi Nuzzi (49). Franziskus werde zunehmend machtloser.

Drei Enthüllungsbücher hat Nuzzi bereits über den Vatikan geschrieben, gerade ist sein viertes Werk «Erbsünde» erschienen. Dafür wurden ihm viele geheime Dokumente aus dem Vatikan zugespielt. BLICK traf den Italiener gestern zum Gespräch über die angespannte Lage im Vatikan.

Laut ihm kämpfe Franziskus zurzeit erbittert gegen Traditionalisten in der Kurie. Und: Diese setzten ihm derzeit schwer zu. Etwa durch Genickschläge wie Ende August: Der vatikanische Ex-Diplomat Carlo Maria Viganò (77) warf ihm in einem offenen Brief vor, von sexuellen Missbräuchen in den USA gewusst zu haben und mitgeholfen zu haben, diese zu vertuschen. Er forderte Franziskus darum auf, zurückzutreten. 

Ob an Viganòs Vorwürfen etwas dran ist? «Möglich», sagt Nuzzi. Möglich ist aber auch, dass der Brief ein nächster Angriff seiner Gegner war.

Franziskus nicht so revolutionär wie sein Vorgänger

In den Krieg gezogen, ist aber nicht erst Franziskus, sondern bereits sein Vorgänger. «Papst Benedikt XVI. war geradezu ein Revolutionär!», sagt Nuzzi. Er kämpfte als Erster für eine transparentere Kirche. Dabei liess er auch die Zusammenarbeit mit anderen Staaten in der Aufklärung zahlreicher Skandale innerhalb des Vatikans zu.

Ein Novum im Gottesstaat – viele Kardinäle reagierten pikiert. Besonders beim Thema Kindesmissbrauch machte Papst Benedikt XVI. (91) endlich Druck. Nuzzi dazu: «Benedikts Rücktritt muss man in diesem Zusammenhang sehen.»

Franziskus hielt diesen Druck nicht aufrecht. «Unter ihm hat das Thema Missbrauch klar an Priorität verloren», so Nuzzi. Ob das am Ende aber an Papst Franziskus oder einer aufmüpfigen Kurie liegt, ist unklar.

Die Kurie gleicht einem Sumpfgebiet

«Zwar kann ein Papst Gesetze im Alleingang erlassen – schon nach seiner Unterschrift haben sie Gültigkeit», sagt Nuzzi. Doch umsetzen müssten sie andere. Allen voran die Kurie als Leitungsorgan der katholischen Kirche. Doch diese gleicht einem Sumpfgebiet. 

«Die Leitung der katholischen Kirche ist durch zahllose Skandale so angreifbar geworden, dass Verschweigen und Vertuschen häufig das geringere Risiko für jeden Einzelnen darstellt», sagt Nuzzi. Er meint: Der Papst werde belogen und getäuscht. 

Wird er mit seinen Reformbemühungen also scheitern? «Ich glaube nicht, aber es braucht noch viel Zeit bis die Kirche sich tatsächlich wandeln kann», sagt Nuzzi. Immerhin: «Früher drangen kaum Interna aus dem Vatikan – heute sind Indiskretionen häufiger geworden.» Laut Nuzzi ein guter Grund, optimistisch zu bleiben.

Seine Bücher bringen den Vatikan zum Zittern

Wenn Gianluigi Nuzzi (49) ein neues Buch ankündigt, bricht in der Kurie der katholischen Kirche Unruhe aus. Denn die Enthüllungen des italienischen Journalisten zogen bisher immer Konsequenzen nach sich. So deckte Nuzzi 2009 mit dem Buch «Vatikan AG» die kriminellen Machenschaften der Vatikan-Bank auf – die italienische Staatsanwaltschaft nahm daraufhin Ermittlungen auf.

Im Buch «Seine Heiligkeit» (2012) veröffentlichte der Mailänder die private Korrespondenz von Papst Benedikt XVI. und zeigte erstmals den erbitterten Krieg innerhalb der Kurie auf. Sein Informant: Benedikts Kammerdiener. Der Journalist stand darum im Zuge des Vatileaks-Skandals vor vatikanischem Gericht, wurde aber vom Vorwurf des Hochverrats freigesprochen.

Sein neues Buch «Erbsünde» (Orell Füssli, 34.90 Fr.) ist seit September im Handel.

Wenn Gianluigi Nuzzi (49) ein neues Buch ankündigt, bricht in der Kurie der katholischen Kirche Unruhe aus. Denn die Enthüllungen des italienischen Journalisten zogen bisher immer Konsequenzen nach sich. So deckte Nuzzi 2009 mit dem Buch «Vatikan AG» die kriminellen Machenschaften der Vatikan-Bank auf – die italienische Staatsanwaltschaft nahm daraufhin Ermittlungen auf.

Im Buch «Seine Heiligkeit» (2012) veröffentlichte der Mailänder die private Korrespondenz von Papst Benedikt XVI. und zeigte erstmals den erbitterten Krieg innerhalb der Kurie auf. Sein Informant: Benedikts Kammerdiener. Der Journalist stand darum im Zuge des Vatileaks-Skandals vor vatikanischem Gericht, wurde aber vom Vorwurf des Hochverrats freigesprochen.

Sein neues Buch «Erbsünde» (Orell Füssli, 34.90 Fr.) ist seit September im Handel.

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