«Dies ist auch eine harte Strafe für die separatistischen Kräfte einer Unabhängigkeit Taiwans und eine ernsthafte Warnung gegen Einmischung und Provokation durch externe Kräfte», erklärte der Sprecher des Ost-Verbandes der Volksbefreiungsarmee, Marine-Oberst Li Xi, am Donnerstag. Heer, Marine, Luftwaffe und die Raketen-Streitkräfte würden seit Donnerstagmorgen (Ortszeit) bis Freitag Übungen in der Meerenge zwischen China und Taiwan (Taiwanstrasse) und um Taiwan abhalten.
Das chinesische Militär will den Angaben zufolge die gemeinsame Kampfbereitschaft zu Wasser und in der Luft sowie den Angriff auf Schlüsselziele trainieren. Schiffe und Flugzeuge würden sich Taiwan von Norden, Süden und Osten für «Patrouillen» nähern und auch mehreren Inseln nahekommen, etwa dem nur wenige Kilometer vom chinesischen Festland entfernten Eiland Kinmen. Die Taiwanstrasse ist an ihrer engsten Stelle rund 130 Kilometer breit.
Experte zu Zielen: Energieimporte und US-Unterstützung verhindern
Militärexperte Zhang Chi sagte im chinesischen Staatsfernsehen, China simuliere eine Blockade Taiwans. Die Armee wolle damit üben, Energieimporte «als Lebensader» nach Taiwan zu stoppen, Fluchtwege für Taiwans Politiker ins Ausland abzuschneiden und Unterstützung von Verbündeten wie den USA zu verhindern. Die Übung dürfte damit die grösste seit April 2023 sein, bei der China ebenfalls eine Blockade probte.
Taiwans Vize-Verteidigungsminister Po Horng-huei sagte, das Ziel sei diesmal offensichtlich zu zeigen, dass China Kontrolle über die Region habe. Anders als bei einer grossangelegten Übung nach dem Besuch der damaligen Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in Taiwan im August 2022, habe China diesmal keine Verbotszonen für Schiffe oder Flugzeuge ausgewiesen, erklärte er.
Im morgendlichen Bericht des taiwanischen Verteidigungsministeriums über die Aktivitäten der Volksbefreiungsarmee in den zurückliegenden 24 Stunden war lediglich die Rede von einem chinesischen Kampfflugzeug und acht Marine-Schiffen um Taiwan. Die Zahlen könnten womöglich erst im freitäglichen Bericht deutlich höher ausfallen. Von chinesischer Seite lagen zunächst keine Zahlen vor.
Kritik aus Taiwan: «Irrationale Provokation»
Taiwans Verteidigungsministerium verurteilte die Militärübung als «irrationale Provokation», die den Frieden und die Stabilität in der Taiwanstrasse gefährde. Taiwanische Streitkräfte zu Wasser, am Boden und in der Luft seien entsendet worden, um «Freiheit und die Demokratie mit praktischen Handlungen» zu verteidigen, hiess es aus Taipeh. Weitere Details zu den Massnahmen nannte das Ministerium nicht. «Es ist bedauerlich, die einseitigen Militär-Provokationen zu sehen, die Taiwans Demokratie und Freiheit genauso wie Frieden und Stabilität gefährden», sagte Präsidenten-Sprecherin Kuo Ya-hui.
Hintergrund der nun angekündigten Übung dürfte die Vereidigung des taiwanischen Präsidenten Lai Ching-te am vergangenen Montag sein. Seine Demokratische Fortschrittspartei (DPP) hatte im Januar die Präsidentschaftswahl gewonnen und steht für eine Unabhängigkeit Taiwans, obwohl Lai bislang nicht andeutete, diese offiziell erklären zu wollen. Die regierende Kommunistische Partei in Peking wirft der DPP Separatismus vor. Chinas Regierung hatte Lais Antrittsrede als gefährliches Signal für eine Unabhängigkeit gewertet und las darin einen radikaleren Ansatz heraus. Lai hatte etwa gefordert, dass China Taiwans Existenz akzeptieren müsse.
Warnung auch an Taiwans Verbündete
China betrachtet Taiwan als abtrünnige Provinz, obwohl dort seit Jahrzehnten stets unabhängige und demokratisch gewählte Regierungen an der Macht sind. Die Führung in Peking hat bereits mehrmals damit gedroht, die mehr als 23 Millionen Einwohner zählende Insel und das Festland mit militärischen Zwangsmitteln zu vereinen. Neben regelmässigen Übungen der Streitkräfte fliegen beinahe täglich Kampfflugzeuge in Richtung Taiwan, um die militärische Macht der Volksbefreiungsarmee zu demonstrieren.
Die Übung dürfte auch den Verbündeten Taiwans als Warnung gelten und insbesondere den USA, die der Inselrepublik für den Verteidigungsfall Unterstützung zugesichert haben und ihr zum Ärger Pekings regelmässig Waffen liefern.