Wahljahr für das Pro-EU-Lager
Geht den Populisten die Luft aus?

Immer wieder hiess es Anfang Jahr, 2017 werde zum Schicksalsjahr für die EU. Weil die Populisten in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland wichtige Wahlen gewinnen könnten. Doch jetzt sieht EU-Experte Thomas Schäubli einen gegenteiligen Trend: Es könnte das Jahr der EU werden.
Publiziert: 13.04.2017 um 22:53 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 06:51 Uhr
Europa-Experte Thomas Schäubli: «Das Jahr 2017 könnte vom Schicksalsjahr zum Zukunftsjahr für die EU werden.»
Foto: ZVG
Matthias Halbeis

Hätte man Ende 2016 Wetten auf eine positive Zukunft der Europäischen Union entgegennehmen müssen, man hätte kaum Interessenten gefunden. Nach dem Brexit herrschte selbst in der EU-Zentrale Katerstimmung. Und dass just in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland wichtige Wahlen programmiert waren, sorgte für zusätzliche Kopfschmerzen in der EU-Spitze. Denn mit Geert Wilders in Holland, Marine Le Pen in Frankreich und der AfD in Deutschland waren radikale EU-Gegner im Aufwind. Sie alle predigen das Ende der EU, die sie für sämtliche Probleme in Europa verantwortlich machen.

Der niederländische EU-Gegner Geert Wilders hat die Parlamentswahl verloren.
Foto: AP

Darum waren die EU-Gegner in ganz Europa und auch in der Schweiz Anfang Jahr in Champagner-Laune: Die Vision eines Auseinanderbrechens der EU schien nicht mehr nur eine düstere Prophezeiung von Ultranationalisten. Vielmehr lag sie plötzlich greifbar nahe.

Doch seither ist viel passiert. In den Niederlanden haben die Wahlen einen klaren Sieger hervorgebracht: Das Pro-EU-Lager ging gestärkt aus dem Urnengang hervor. Premier Mark Rutte, der die Wahl zum Duell mit Wilders erklärt und diesen deklassiert hatte, ist ein überzeugter Europäer. Die euphorischen Glückwünsche, die Rütte von Angela Merkel aus Deutschland erhielt, zeigen, wie wichtig das Signal für ganz Europa war.

Front-National-Chefin Marine Le Pen hat den Grossteil ihres Vorsprungs in den Umfragen eingebüsst.
Foto: Imago

In Frankreich hat Marine Le Pen, die mit dem Front National eine im Grunde faschistische Partei mit zweifelhafter Vergangenheit anführt, in den Umfragen massiv an Boden verloren. Sie hatte wie Wilders versprochen, dass sie nach einem Wahlsieg mit Frankreich aus der EU und dem Euro austreten wolle. Eine Ansage, die kein noch so erbitterter Gegner der EU in Osteuropa überhaupt wagen würde.

Le Pen könnte zwar den ersten Wahlgang für das Präsidentenamt für sich entscheiden. In der Stichwahl scheint sie aber gegen den Parteilosen Emmanuel Macron chancenlos.

Und in Deutschland hat die SPD – verbunden mit einem Einbruch der AfD – mächtig aufgeholt. Die Deutschen wählen am 24. September einen neuen Bundestag.

Seit SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz Wahlkampf macht, haben Frauke Petry und ihre AfD massiv an Terrain eingebüsst.
Foto: Imago

EU-Spezialist Thomas Schäubli sieht darum eine überraschende Wende in Sachen EU-Zukunft: «Das Jahr 2017 könnte vom Schicksalsjahr zum Zukunftsjahr für die EU werden.» Weil diejenigen Kräfte, die die EU verteidigen, gestärkt aus allen drei Wahlen hervorgehen könnten. Für den Europa-Experten von Wellershoff & Partners steht fest: «Mit pro-europäischen Parolen kann man in Europa noch oder wieder Politik machen.»

So sei etwa Emmanuel Macron in Frankreich mit einem Programm am Start, das klar die Vorteile der Europäischen Union ins Zentrum stelle. Und auch der deutsche SPD-Spitzenkandidat, Martin Schulz, sei als ehemaliger Präsident des Europaparlaments ein überzeugter Europäer.

Aus Sicht von Schäubli bessern sich mit diesen Prognosen auch die wirtschaftlichen Aussichten in der Eurozone: Denn den eigentlich robusten Wirtschaftsdaten seien bisher eine Vielzahl vermeintlicher politischer Risiken gegenübergestanden. Jetzt sorgen die Umfragen in Frankreich und Deutschland für eine gewisse Entwarnung.

Doch definitiv entschieden ist erst, wenn klar ist, wer französischer Staatspräsident und deutscher Bundeskanzler wird. Erst dann ist klar, ob 2017 für die EU als Schicksals- oder Zukunftsjahr in die Geschichte eingehen wird.

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