Indonesiens Hauptstadt hat seit ein paar Tagen eine U-Bahn. Umgerechnet 1,1 Milliarden Franken teuer, 13 Stationen, 16 Kilometer insgesamt. Und immer noch viel zu wenig, um die Verkehrsprobleme der Megastadt Jakarta in den Griff zu bekommen. Trotzdem liess sich Präsident Joko Widodo bei der Eröffnung feiern. Es ist Wahlkampf. An diesem Mittwoch entscheidet sich, ob der 57-Jährige bis 2024 im Amt bleiben darf. Die Chancen stehen gut. Aber sicher ist nichts.
Alte Rivalen treffen aufeinander
In der drittgrössten Demokratie der Welt - zugleich das Land mit der grössten muslimischen Bevölkerung - kommt es zur Wiederauflage des Duells von vor fünf Jahren: «Jokowi», wie sie ihn hier nennen, gegen den 67-jährigen Ex-General Prabowo Subianto. Der Gegensatz könnte kaum grösser sein: ein volksnaher Typ, der es vom Möbelhändler zum Präsidenten gebracht hat, gegen einen Mann aus der militärischen Elite, der den langjährigen Diktator Suharto zum Schwiegervater hatte.
Aber die Fronten sind nicht mehr so klar wie 2014: Damals wurde Joko als Hoffnungsträger gefeiert, als «indonesischer Obama», als Vertreter eines moderaten Islam. Prabowo, der stets den Peci auf dem Kopf hat, die traditionelle Mütze der Indonesier, war der Mann von gestern. Heute strahlt der eine nicht mehr so hell, der andere wirkt nicht mehr so düster. Joko versucht nun, mit Infrastrukturprojekten zu punkten. Deshalb auch der Auftritt in der U-Bahn.
Distanzen sind deutlich geschmolzen
In den Umfragen liegt der Amtsinhaber klar vorn. Allerdings ist der Vorsprung von ehemals 20 Prozentpunkten deutlich geschmolzen. Jetzt verspricht Joko seinen Anhängern: «Ich werde kämpfen!» Manche halten dennoch eine Überraschung für möglich. Nun gibt sich Prabowo als Mann des Volkes. «Die Jakata-Elite kümmert sich nur um sich. Ihr einziges Ziel ist, sich noch reicher zu machen.» Angesichts seines Vermögens und seiner Vergangenheit ist das doch überraschend.
Indonesien ist drittgrösste Demokratie weltweit
Tatsächlich ist der Wohlstand in dem Riesenland mit 17'500 Inseln und mehr als 260 Millionen Einwohnern extrem ungleich verteilt. Indonesien gehört zum wichtigen G20-Kreis der grössten Industrie- und Schwellenländer. Das Wachstum liegt bei 5,2 Prozent. Aber die Gegensätze zwischen Jakarta und den kleineren Inseln sind enorm. Insgesamt gibt es 193 Millionen Wahlberechtigte. Die Entscheidung fällt in einem einzigen Durchgang. Eine Stichwahl braucht man bei nur zwei Kandidaten nicht. Dazu wird auch ein neues Parlament gewählt.
Konservativerer Islam ist auf dem Vormarsch
Im Vergleich zu 2014 spielt die Religion eine grössere Rolle. Indonesien, wo fast 90 Prozent der Bevölkerung muslimischen Glaubens sind, stand lange für eine tolerante Form des Islams. Inzwischen haben konservative Kräfte starken Einfluss. Jakartas christlicher Ex-Gouverneur - ein Vertrauter Jokos - verlor wegen angeblicher Verhöhnung des Korans nicht nur sein Amt, sondern musste auch ins Gefängnis. Im Mai vergangenen Jahres wurden bei islamistischen Anschlägen auf drei christliche Kirchen 13 Menschen getötet.
Joko wird immer schon vorgeworfen, nicht islamisch genug zu sein. Dieses Mal tritt er mit dem konservativen Geistlichen Ma'ruf Amin, der Homosexualität ein Verbrechen nennt, als Vize an. In einer Studie des renommierten Instituts für Politische Konfliktforschung (IPAC) aus Jakarta heisst es: «Die Islamisten haben grossen Einfluss, indem sie «Jokowi» dazu gebracht haben, sich gegen Vorwürfe zu wehren, dass er gegen den Islam und gegen Arme eingestellt ist.» Die Mehrheit des konservativen islamischen Lagers setzt trotzdem auf Prabowo.
Kritik an Joko
Von anderer Seite wird dem Präsidenten zur Last gelegt, in Sachen Menschenrechte zu wenig getan zu haben. Dazu gehören mehrere Hinrichtungen trotz internationaler Proteste, aber auch die Stimmungsmache gegen Homosexuelle, die wieder zunimmt. Auch Korruption ist in Indonesien immer noch weit verbreitet, obwohl Joko den Kampf dagegen zu einem seiner wichtigsten Ziele gemacht hatte.
Keine aufgeheizte Stimmung
Sein Motto lautet dieses Mal: «Indonesia maju» («Indonesien voranbringen»). Auf einigen Plakaten steht inzwischen: «Aber wohin?» Insgesamt war der Wahlkampf bis zuletzt merkwürdig lahm. Erwartet wird, dass manche zu Hause bleiben werden, weil sie glauben, dass es keinen grossen Unterschied macht, ob der Präsident künftig wieder Joko oder aber Prabowo heisst. Vor fünf Jahren war die Stimmung noch eine andere. (SDA)