Laut ersten Prognosen
Komiker Selenski liegt Präsidentschaftswahl in der Ukraine vorn

In einer beliebten ukrainischen TV-Sendung wird Wolodimir Selenski unverhofft vom Lehrer zum Staatspräsidenten. Nun hat er beste Chancen, heute dazu gewählt zu werden. Er liegt in der ersten Hochrechnung deutlich vorne.
Publiziert: 31.03.2019 um 14:23 Uhr
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Aktualisiert: 24.04.2019 um 09:11 Uhr
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Wladimir Selenski liegt laut Umfragen in der Gunst der Wähler an erster Stelle.
Foto: AP

In Italien hat Komiker Beppe Grillo (70) mit seiner Fünf-Sterne-Bewegung» die Parteienlandschaft umgekrempelt, in Slowenien wurde Kabarettist Marjan Sarec (41) vor einem einem halben Jahr Ministerpräsident. 

Nun stehen die Chancen gross, dass auch in der Ukraine ein komödiantischer Schauspieler an die Macht kommt. Dem politischen Quereinsteiger Wolodimir Selenski (41) wurden bei den Wahlen von heute Sonntag die meisten Chancen vor Amtsinhaber Petro Poroschenko (53) und Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko (58) ausgerechnet.

Selenski räumt über 30 Prozent aller Stimmen ab

Und tatsächlich: Selenski hat nach ersten Prognosen die Präsidentschaftswahl in der Ukraine gewonnen. In dem Krisenland kommt es zur Stichwahl, voraussichtlich mit Amtsinhaber Petro Poroschenko, wie am Sonntag aus Wahlnachbefragungen mehrerer Institute in Kiew hervorging.

Den Nachwahlbefragungen zufolge kam Selenski auf mehr als 30 Prozent der Stimmen und Poroschenko auf knapp 18 Prozent.  Er tritt am 21. April in einer Stichwahl gegen den amtierenden Staatschef Poroschenko an.

Was kann er überhaupt?

Komiker Selenski spielt in der beliebten Fernsehserie «Diener des Volkes» einen Lehrer, der unverhofft zum Präsidenten wird. Kritiker werfen ihm vor, auch im echten Leben fehle ihm die politische Erfahrung. Der Komiker und Schauspieler, der vor allem bei jungen Wählern beliebt ist, räumt Defizite durchaus ein.

Sein Programm ist ziemlich diffus. Er hatte seine Anhänger aufgefordert, ihm über die sozialen Netzwerke Programmvorschläge zu schicken. In einem später veröffentlichten Vier-Seiten-Programm spricht sich Selenski dann für mehr Volksentscheide aus – so soll unter anderem auch über eine mögliche Nato-Mitgliedschaft abgestimmt werden.

Neue Strassen nach europäischem Standard werden in Aussicht gestellt, und Selenski bekennt sich zum Kampf gegen die in der Ukraine verhasste Korruption. So sollen beispielsweise wegen Korruption Verurteilte von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen werden.

Klitschko sieht Polen als Vorbild

Der Kiewer Bürgermeister und frühere Box-Weltmeister Vitali Klitschko (47) sieht die Präsidentenwahl in der Ukraine im Unterschied zu Russland als demokratisch an. Nur in Russland wisse man ein Jahr im Voraus, wer der Präsident wird.

«Ich hoffe, die Ukraine bleibt stabil», sagte Klitschko nach seiner Stimmabgabe. Er kam mit dem Velo ins Wahllokal. «Unsere Vision ist, dass die Ukraine ein Teil der europäischen Familie mit europäischen Werten ist.» Vorbild sei Polen, das erfolgreich den Weg in die EU genommen habe.

Armes Land sucht Anschluss an den Westen 

In der Europäischen Union wird die Abstimmung mit grossem Interesse verfolgt. Das nach IWF-Statistiken ärmste Land Europas steuert einen Kurs Richtung EU und Nato an. Auch die zerrüttete Beziehung zum Nachbarn Russland ist eines der wichtigsten Themen im Land. Der ehemalige Bruderstaat wird in Kiew seit der Einverleibung der Schwarzmeerhalbinsel Krim und dem Krieg im Osten zwischen Regierungssoldaten und prorussischen Separatisten als Feind gesehen.

Die rund 30 Millionen Wähler der verarmten Ex-Sowjetrepublik können zwischen insgesamt 39 Kandidaten abstimmen. Erste Nachwahlbefragungen werden unmittelbar nach Schliessung der Wahllokale ab 19.00 Uhr MESZ erwartet. Ein zweiter Wahlgang in den kommenden Wochen gilt als sehr wahrscheinlich. (gf/SDA)

Die drei Top-Kandidaten der Ukraine

Petro Poroschenko

Der 53-jährige Amtsinhaber wird nicht wegen seiner Körperfülle scherzhaft auch «Schokozar» genannt. Der Oligarch hat es vielmehr mit einem Süsswarenimperium zu einem Vermögen gebracht. Anders als zum Amtsantritt versprochen, hat er aber weder seine Geschäfte aufgegeben noch den Krieg in der Ostukraine beendet. Erreicht hat er zwar visafreies Reisen in die EU. Aber vielen Menschen in dem verarmten Land fehlt dafür das Geld. Poroschenkos Ziel ist ein EU- und Nato-Beitritt und eine totale Abkehr von Russland. Dem Vater von vier Kindern droht eine Niederlage.

Wladimir Selenski

Der 41-jährige Schauspieler, der in der Comedy-Serie «Sluha narodu» – auf Deutsch: «Diener des Volkes» – schon den Präsidenten gespielt hat, ist Hoffnungsträger vieler junger Ukrainer. Der politische Quereinsteiger mit der rauchig-warmen und durchdringenden Stimme gibt sich jungenhaft und sportlich. Der Jurist und Vater von zwei Kindern könnte bald neuer Präsident der Ukraine sein. Ohne Änderung des Westkurses ist er zu Kompromissen mit Russland bereit. Kritiker halten Selenski für eine Marionette des Oligarchen Igor Kolomoiski, in dessen Fernsehsender 1+1 seine Show läuft.

Julia Timoschenko

Die 58-jährige Veteranin der ukrainischen Politik war schon zweimal Regierungschefin. In ihrer Heimatstadt Dnepropetrowsk (heute Dnipro) stieg sie über Beziehungen in den russisch-ukrainischen Gashandel ein und bekam den Spitznamen «Gasprinzessin». Bekannt wurde sie 2004 international – damals noch mit geflochtenem Haarkranz – als Gesicht der prowestlichen Orangenen Revolution. 

Timoschenko, die eine Tochter hat und schon zweimal im Gefängnis sass, gilt als zähe Kämpferin in der von Männern geprägten Politik der Ukraine. Seit Herbst 2014 steht sie der mit 20 Abgeordneten kleinsten Parlamentsfraktion ihrer Vaterlandspartei vor. Sie hofft auf ein Comeback. (SDA)

Petro Poroschenko

Der 53-jährige Amtsinhaber wird nicht wegen seiner Körperfülle scherzhaft auch «Schokozar» genannt. Der Oligarch hat es vielmehr mit einem Süsswarenimperium zu einem Vermögen gebracht. Anders als zum Amtsantritt versprochen, hat er aber weder seine Geschäfte aufgegeben noch den Krieg in der Ostukraine beendet. Erreicht hat er zwar visafreies Reisen in die EU. Aber vielen Menschen in dem verarmten Land fehlt dafür das Geld. Poroschenkos Ziel ist ein EU- und Nato-Beitritt und eine totale Abkehr von Russland. Dem Vater von vier Kindern droht eine Niederlage.

Wladimir Selenski

Der 41-jährige Schauspieler, der in der Comedy-Serie «Sluha narodu» – auf Deutsch: «Diener des Volkes» – schon den Präsidenten gespielt hat, ist Hoffnungsträger vieler junger Ukrainer. Der politische Quereinsteiger mit der rauchig-warmen und durchdringenden Stimme gibt sich jungenhaft und sportlich. Der Jurist und Vater von zwei Kindern könnte bald neuer Präsident der Ukraine sein. Ohne Änderung des Westkurses ist er zu Kompromissen mit Russland bereit. Kritiker halten Selenski für eine Marionette des Oligarchen Igor Kolomoiski, in dessen Fernsehsender 1+1 seine Show läuft.

Julia Timoschenko

Die 58-jährige Veteranin der ukrainischen Politik war schon zweimal Regierungschefin. In ihrer Heimatstadt Dnepropetrowsk (heute Dnipro) stieg sie über Beziehungen in den russisch-ukrainischen Gashandel ein und bekam den Spitznamen «Gasprinzessin». Bekannt wurde sie 2004 international – damals noch mit geflochtenem Haarkranz – als Gesicht der prowestlichen Orangenen Revolution. 

Timoschenko, die eine Tochter hat und schon zweimal im Gefängnis sass, gilt als zähe Kämpferin in der von Männern geprägten Politik der Ukraine. Seit Herbst 2014 steht sie der mit 20 Abgeordneten kleinsten Parlamentsfraktion ihrer Vaterlandspartei vor. Sie hofft auf ein Comeback. (SDA)

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