Vorteil bei Corona
Immunsystem von Kleinkindern ist stärker als oft vermutet

Kleine Kinder sind häufig krank. Das liegt aber nicht daran, dass ihr Immunsystem nicht gut ist, im Gegenteil: Es ist in Topform und arbeitet auf Hochtouren. Das macht sich nicht nur im Fall von Covid-19 bezahlt.
Publiziert: 28.12.2021 um 07:47 Uhr
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Aktualisiert: 28.12.2021 um 08:02 Uhr
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Auch wenn sie oft krank sind, ist das Immunsystem von kleinen Kindern keineswegs schwächer als das von Erwachsenen.
Foto: Shutterstock

Kleinkinder sind ständig verschnupft und bringen gefühlt jeden Infekt mit nach Hause. Dennoch ist ihr Immunsystem keineswegs schwächer als das von Erwachsenen, berichten Forscher im Fachmagazin «Science Immunology» nach entsprechenden Versuchen mit jungen Mäusen und menschlichen Zellen.

Insbesondere die T-Zellen des Immunsystems reagierten blitzschnell und effektiv, wenn sie Kontakt mit einem zuvor unbekannten Virus hatten. Möglicherweise erkläre das – neben anderen Faktoren – auch den oft milderen Verlauf von Corona-Infektionen bei Kindern.

Das kindliche Immunsystem habe den Ruf, schwach und unterentwickelt zu sein, sagt Studienleiterin Donna Farber vom Columbia University Medical Irving Center in New York. Das sei aber nicht wahr, auch wenn Babys und Kleinkinder häufig unter viralen Atemwegsinfekten litten, verursacht etwa durch das RSV-Virus (Respiratorisches Synzytial-Virus).

«Für Babys ist alles, was ihnen begegnet, neu»

Das liege allein daran, dass Babys diesen Viren zum ersten Mal begegneten. «Erwachsene werden nicht so oft krank, weil wir Erinnerungen an diese Viren gespeichert haben, die uns schützen», sagt Farber. «Für Babys hingegen ist alles, was ihnen begegnet, neu.»

Um die Fähigkeiten des kindlichen Immunsystems genauer zu untersuchen, sammelten die Forscher bei jungen und erwachsenen Mäusen T-Zellen des Immunsystems. Darunter waren auch solche Zellen, die zuvor noch keinen Kontakt zu einem Erreger hatten, sogenannte naive T-Zellen.

T-Zellen sind spezialisierte Abwehrzellen. Davon gibt es unterschiedliche Typen, zum Beispiel können einige virusinfizierte Zellen erkennen und abtöten, andere speichern die Erinnerung an einzelne Erreger, um bei einer erneuten Infektion schneller Abwehrmassnahmen einleiten zu können. Diese T-Zellen verabreichten die Forscher dann Mäusen, die sie anschliessend mit einem Grippe-Virus infizierten.

Robustes Immunsystem

Die naiven T-Zellen von jungen Mäusen reagierten schon auf viel kleinere Mengen des Virus' als die der Erwachsenen. Sie vermehrten sich schneller und wanderten in grösserer Zahl zur Lunge, wo sich Influenza-Viren vor allem vermehren.

Für die Forscher sei es überraschend gewesen, dass die Zellen je nach Alter anders reagierten. «Dies bedeutet, dass das Immunsystem des Kleinkinds robust und effizient ist und Krankheitserreger bereits im frühen Alter beseitigen kann», sagt Farber. «In mancher Hinsicht ist es vielleicht sogar besser als das Immunsystem eines Erwachsenen, denn es ist darauf ausgelegt, auf eine Vielzahl neuer Krankheitserreger zu reagieren.»

«Die frühe Kindheit ist die Zeit, in der besonders viele T-Zellen im Thymus gebildet werden», erläutert Marcus Peters, Leiter der Arbeitsgruppe Immunologie der Lunge an der Ruhr Universität Bochum. «Mit zunehmendem Alter werden immer weniger T-Zellen gebildet, damit nimmt auch die Fähigkeit ab, auf Neues zu reagieren.»

Kinder schneiden bei Corona besser ab als Erwachsene

Auch Erwachsene hätten noch ein Reservoir naiver T-Zellen, aber eben ein kleineres. Dafür verfügten ältere Menschen über ein im Lauf des Lebens angewachsenes Standard-Reservoir an Gedächtnis-T-Zellen, die für die Immunantwort auf bestimmte Erreger zugeschnitten sind. Bei neuerlichem Kontakt mit bereits bekannten Krankheitserregern könne ihr Immunsystem schnell reagieren.

Die kindliche Fähigkeit, auf neue Gefahren schnell eine Antwort zu finden, mache sich möglicherweise im Fall von Sars-CoV-2 bezahlt. Das Virus sei für alle Menschen neu, man erlebe daher momentan einen unmittelbaren Vergleich zwischen dem kindlichen und dem erwachsenen Immunsystem. «Und die Kinder schneiden besser ab.» Ältere Erwachsene, die mit einem neuen Virus konfrontiert würden, reagierten langsamer. Das gebe dem Virus mehr Zeit, sich zu vermehren, man werde krank.

Die Antigene in den Impfstoffen, die eine Immunantwort auslösen, aktivieren immer nur die genau zu ihnen passenden T-Zellen. T-Zellen, die auf das Coronavirus reagieren, reagieren zum Beispiel nicht auf Pneumokokken. Eine Überforderung des Immunsystems durch Impfungen gebe es daher nicht, sagt auch Immunologe Peters. Überhaupt sei das Immunsystem ständig aktiv und setze sich permanent mit Antigenen auseinander, die aus der Umwelt in den Körper gelangten, harmlosen wie krankmachenden. (SDA)

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