Stimmen in Deutschland fordern finanzielle Konsequenzen für Impfverweigerer bei der Krankenkasse. Erst hat der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (57) diese gefordert, jetzt schliesst sich Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (49) an. «Ich bin ausdrücklich dafür, die Kassenbeiträge anzuheben, wenn jemand, der sich impfen lassen könnte, die Injektion bewusst verweigert», sagte der Grünen-Politiker der FAZ.
Dass Ungeimpfte höhere Versicherungsbeiträge zahlen sollen, ist in Deutschland nicht länger tabu. Palmer: «Wer so unsolidarisch ist, dass er sich und andere gefährdet, unnötige Kosten verursacht und im Krankenhaus möglicherweise in Bettenkonkurrenz zu anderen Patienten tritt, kann nicht die Solidarität der gesetzlichen Krankenversicherung verlangen.» Noch wichtiger sei jedoch die Impfpflicht, so Palmer. März als Beginn sei zu spät.
Der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Klaus Holetschek (CSU), hatte zuvor vorgeschlagen, bei Verstössen gegen die geplante allgemeine Corona-Impfpflicht nicht nur Bussgelder zu verhängen. Er befürwortet auch finanzielle Konsequenzen bei der Krankenkasse. «Das Risiko für Ungeimpfte, an Corona schwer zu erkranken, ist deutlich erhöht», sagte Holetschek dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Infrage kämen höhere Krankenkassenbeiträge für Ungeimpfte, eine Beteiligung an den Behandlungskosten oder die Streichung des Krankengelds.
Lebensführung des Versicherten
Reaktionen auf die Vorschläge der beiden Politiker folgten prompt und heftig. Juristen, Ärzte- und Klinikverbände sowie mehrere Bundestagsfraktionen widersprachen vehement. Solch eine Regelung würde indirekt über die Lebensführung des Versicherten bestimmen, sagte der ehemalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Ferdinand Kirchhof: «Hier liegt das grundrechtliche Problem: Es bringt einen indirekten Zwang zur Impfung, zum Nichtrauchen oder zum Nichtsport.»
Der Spitzenverband der deutschen Krankenkassen spricht vom «Solidaritätsprinzip». Der Anspruch auf medizinische Leistungen richte sich nicht nach der Beitragshöhe, sondern allein nach der medizinischen Notwendigkeit. Dabei gibt es auch das Selbstverschuldungsprinzip, wenn sich ein Versicherter eine Krankheit vorsätzlich zuzieht oder bei einem Verbrechen.
Laut Ökonomen und Politikern gebe es Umsetzungsprobleme bei allen Vorschlägen Richtung mehr finanzieller Eigenverantwortung. Diese wäre ein klarer Bruch mit dem bisherigen Grundsatz, eine Kostenbeteiligung nicht vom Gesundheitsverhalten abhängig zu machen, etwa von Bewegung, Ernährung, Stress oder gefährlichen Sportarten. (kes)