585 Menschen wurden in diesem Jahr schon von Polizisten erschossen, insgesamt starben 704 Menschen durch Polizeigewalt. 24 davon waren schwarz, jung und unbewaffnet. Das letzte Opfer, ein 19-jähriger Student, starb am Samstag in Arlington im Bundesstaat Texas.
Laut Polizei fuhr der junge Mann mit einem Auto in das Schaufenster eines Autohändlers. Nach Eintreffen der Polizei sei es zu einer Auseinandersetzung gekommen, bei der Schüsse gefallen seien. Wie die Gerichtsmedizin bekannt gab, hatte der Tote Schusswunden am Hals, im Brustkorb und im Bauch. Auch er war unbewaffnet.
Die meisten unbewaffneten Opfer sind Schwarze
Die «Washington Post» führt eine Liste mit sämtlichen von der Polizei erschossenen Opfern im Jahr 2015. Die allermeisten der 585 Toten sind Weisse oder Latinos. Gemäss den Polizeiberichten waren sie zum Zeitpunkt ihres Todes bewaffnet. Unbewaffnet waren 60 Opfer, davon 24 Tote schwarze Männer. Das entspricht 40 Prozent, während ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung nur 6 Prozent ausmacht.
«Bitte hört auf, uns zu töten»
Die unverhältnismässig hohe Anzahl schwarzer unbewaffneter Männer unter den Todesopfern sorgt zunehmend für lautstarke Proteste. «Wir stehen unter Beobachtung» sagt Mark Lomax, Geschäftsführender Direktor der National Tactical Officers Association der «Washington Post». Hinzu kommt, dass viele Einsätze von Passanten und/oder Überwachungskameras gefilmt wurden und das Vertrauen in die Polizei untergraben.
In Gedenken an den vor einem Jahr getöteten Michael Brown demonstrierten am Wochenende hunderte Menschen in Ferguson gegen Polizeiwillkür und Rassimus. Die Demonstranten riefen Parolen wie «Hände hoch, nicht schiessen» oder «Bitte hört auf, uns zu töten.»
«Ich kannte ihn nur 45 Sekunden»
Der für den Tod von Michael Brown verantwortliche Polizist Darren Wilson (29) sprach heute erstmals öffentlich. «Ich mag die schwarze Gemeinschaft», sagte er gegenüber Jake Halpern vom «New Yorker». Er habe bei seiner Arbeit Spass gehabt. Der Tod von Brown stehe in keinem Zusammenhang mit Rassismus. Das Problem sei vielmehr die Kultur im hochkriminellen Milieu von Ferguson.
Auf die Frage, ob er denke, dass Michael Brown gefährlich («bad guy») gewesen sei, antwortete er: «Ich kannte ihn nur 45 Sekunden, in denen er versuchte mich zu töten, ich weiss es also nicht.» Seine Eltern hätte Michael Brown nicht richtig erzogen, so Wilson weiter. Seit den tödlichen Schüssen hat der Polizist keine neue Stelle gefunden.
«Tradition, den schwarzen Körper zu zerstören»
«In Amerika ist es Tradition, den schwarzen Körper zu zerstören – es ist Überlieferung», schreibt der schwarze Autor Ta-Nehisi Coates in seinem neuen autobiografischen Manifest «Between the World and Me». Ferguson habe ihn desillusioniert: «Die endlose gewaltsame Unterdrückung der Schwarzen» sei «die Laune unseres Landes».
US-Präsident Obama sieht die Lage hingegen weniger düster. In seiner Trauerrede nach dem Massaker von Charleston betonte er die Fortschritte. Ferguson habe die «umfassendste nationale Abrechnung mit dem Rassismus seit Jahrzehnten» ausgelöst. (ant)