Was ist passiert?
In der Nacht auf Mittwoch ging bei der niederländischen Küstenwache die Meldung ein, dass an Bord des Schiffes «Fremantle Highway» ein Feuer ausgebrochen sei. Auf dem Frachter befinden sich 2857 Autos, von denen 25 Elektroautos sind.
Rettungskräfte sind seither unermüdlich im Einsatz, um das Feuer zu löschen und ein Sinken des Schiffes zu verhindern. Doch dies sei keine einfache Aufgabe, wie Lea Versteeg, Sprecherin der niederländischen Küstenwache, erklärt: «Der Brand ist noch nicht gelöscht. Es ist auch schwierig, einen Brand auf See in den Griff zu bekommen. Vor allem, wenn Fahrzeuge und Elektroautos an Bord sind».
Da sich die Eindämmung des Feuers derart schwierig gestalte, rechnet die Küstenwache damit, dass es noch Tage brennen könnte.
Die «Fremantle Highway» war unterwegs aus Bremerhaven (D) nach Port Said in Ägypten. Die Besatzung versuchte den Angaben der Küstenwache zufolge zunächst selbst, das Feuer zu löschen. Laut Küstenwache ist die Brandursache unklar.
Wie geht es der Besatzung?
Bei dem Brand ist ein Mensch ums Leben gekommen. Die übrigen 22 Mitglieder der Besatzung konnten gerettet werden, einige sind verletzt worden. Im Versuch, sich vor den Flammen zu retten, seien Berichten zufolge sieben Besatzungsmitglieder sogar von Bord gesprungen – rund 30 Meter in die Tiefe.
«Einer nach dem anderen sprang», sagte Kapitän Willard Molenaar vom Amelander Rettungsboot, das als Erstes an der Unglücksstelle war, dem Radiosender NOS. «Die waren echt in Not, sonst springt man nicht einfach so tief.»
Der grösste Teil der Besatzung konnte nach Angaben der Küstenwache aber mit Helikoptern von Bord geholt werden. Wie «Bild» berichtet, wurden 16 Besatzungsmitglieder anschliessend mit Atemproblemen in Spitäler gebracht. Von ihnen schwebe keiner in Lebensgefahr.
Nach Angaben eines Sprechers Rettungsorganisation KNRM hatte die Besatzung grosses Glück. Die Rettungsboote seien schon in der Nähe gewesen, als die Besatzungsmitglieder ins Wasser sprangen. «Sonst ist es gefährlich, das zu tun, wenn die Rettungsboote noch weit entfernt sind – man kann wegtreiben.»
Wie werden Brände auf Hoher See gelöscht?
Auf grossen Containerschiffen sei es sehr schwierig, einen Brand zu löschen, sagt Uwe-Peter Schieder zu Blick. Er ist seit 1994 Experte für die Sicherheit in der Seeschifffahrt und Inhaber des Kapitänspatents. «Die Fracht, in diesem Fall Autos, wird vom Schiff zu 100 Prozent geschützt. Es gibt keine Möglichkeit, von Aussen Wasser ins Innere zu bekommen.»
Kapitän Uwe-Peter Schieder ist seit 1994 Experte für die Sicherheit der Seeschifffahrt im GDV. Er ist Inhaber des Kapitänspatents auf Grosser Fahrt und zwölf Jahre zur See gefahren, wo er auch für die Sicherheit der Besatzung verantwortlich war.
Kapitän Uwe-Peter Schieder ist seit 1994 Experte für die Sicherheit der Seeschifffahrt im GDV. Er ist Inhaber des Kapitänspatents auf Grosser Fahrt und zwölf Jahre zur See gefahren, wo er auch für die Sicherheit der Besatzung verantwortlich war.
Dafür gäbe es auf jedem Schiff Löschanlagen. Häufig werden diese mit CO₂ betrieben, um das Feuer so zu ersticken. «Wenn die im Einsatz sind, hilft nur noch beten.» Gerade bei Autotransportern entsteht schnell eine Kettenreaktion. Ob das nun Elektroautos oder Verbrenner sind, spielt bei der Entstehung des Feuers keine Rolle. «Batteriebetriebene Autos brennen nicht häufiger, auch Verbrennerautos brennen verdammt gut. Am besten brennt sowieso Plastik. Da kann man mit der CO₂-Löschanlage nicht mehr viel machen, es entsteht eine Kettenreaktion.»
Der Brand war mitten in der Nacht ausgebrochen, die Männer wurden von Sirenen geweckt. «Da ist die Reaktion nicht ganz so professionell, wie sie am Tag hätte sein können», vermutet Schieder. «Solche Sicherheitsdrills werden regelmässig geübt.» Es gäbe Atemmasken an Bord, damit der giftige Rauch nicht eingeatmet wird.
Dennoch reagiert im Ernstfall jeder anders: «Es ist die grösste Angst eines Seemanns, dass das eigene Schiff brennt. Denn es brennt verdammt gut, es ist unendlich viel brennbare Ladung an Bord.» Dabei brenne genau das, was das eigene Leben sichert. Und einfach nach Hause schwimmen sei in aller Regel keine Option. «Da bekommt man als Seefahrer Panik», weiss Schnider. «Sonst wären sie nicht 40 Meter weit ins Meer gesprungen.»
Wie laufen die Rettungsarbeiten?
Am Mittwochnachmittag wurde für das Gebiet, in dem sich der brennende Frachter befindet, ein Flugverbot verhängt. Das teilte die niederländische Flugsicherung mit. Das vorübergehende Verbot wurde auf Antrag der Küstenwache verhängt, um den Einsatzkräften mehr Raum zu geben. Demnach dürfen nur an der Rettungsaktion beteiligte Einsatzkräfte per Helikopter oder Flugzeug über dem Gebiet fliegen.
Insbesondere wegen der Elektroautos gestalten sich die Löscharbeiten als schwierig. Weil das Wasser nur schwer ins Batteriegehäuse vordringen kann. Aktuell treibt der Frachter rund 27 Kilometer nördlich der niederländischen Insel Ameland. Wie die Küstenwache auf Twitter bekannt gibt, verfügt das Bergungsschiff Hunter über eine «Notverbindung zum Schiff und hält es so in kontrollierter Position.» Es könne nicht zum Abschleppen des Schiffs verwendet werden.
Bereits um 9 Uhr morgens gab die Küstenwache aber bekannt, dass das Schiff Schlagseite habe. Das Schiff stehe nun zwar aufrecht, es brennt aber noch immer und rauche stark, sagt Edwin Granneman von der Küstenwache gegenüber RTL NL. Ausserdem sei ein spezielles Schiff vor Ort, das vor Auslaufen des Öls schützen soll.
«Die Situation ist zu instabil, um mit dem Abschleppen zu beginnen», sagt Granneman. «Das jetztige Kabel ist zu schwach, um das Schiff wegzuziehen. Das Ziel ist jetzt, das Schiff stabil zu halten.» Um das Schiff abzuschleppen, werden also stärkere Kabel benötigt. Dafür müssten Menschen an Bord des Schiffes gehen, um die Seile zu befestigen. «Das ist momentan noch zu gefährlich. Es ist unklar, wie schnell das gemacht werden kann.» Ein Bergungsunternehmen hat nun Spezialisten zum Schlepper Guardian geschickt. Hier will man die Möglichkeiten zur Herstellung einer Schleppverbindung untersuchen.
Was sind die Herausforderungen beim Löschen?
Schiffe wie die «Fremantle Highway» seien wie schwimmende Parkhäuser, sagt John Fongers, der 25 Jahre lang als Mechaniker für Feuerlöschanlagen arbeitete. Er kennt die Grösse solcher Schiffe gut. «Diese Art von Schiffen ist wirklich gigantisch. Um von einer Seite zur anderen zu gehen, braucht man fünf Minuten», so Fongers zu RTL NL.
Die knapp 3000 Autos sind dicht an dicht auf zwölf Decks geparkt. Denn: Platz ist Geld. «Wenn in drei Abteilen Feueralarm ausgelöst wird, weiss man, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung ist», sagt er. Die Redereien hätten aber auch Massnahmen für solche Fälle. «Schiffe dieser Art haben immer einen Tank mit 20 bis 30 Tonnen flüssigem CO₂ an Bord, um Brände zu löschen», sagt Fongers. «Bei Treibstoffmotoren funktioniert das sehr effektiv.»
Da CO₂ schwerer ist als gewöhnliche Luft, sinkt sie nach unten. Deshalb ist es sinnvoll, Elektroautos ganz unten zu platzieren, da sie schwieriger zu löschen sind als normale Autos. In der Praxis sei das oft nicht möglich, weil die Position auf dem Schiff davon abhängt, wo die Autos entladen werden müssen, so Fongers.
Was sind die Gefahren für die Umwelt?
Umweltorganisationen sorgen sich nun um das fragile Ökosystem. «Sobald Treibstoff austritt und direkt ins Meer gelangt, haben wir es mit sehr langfristigen und fatalen Auswirkungen zu tun», so Nicolas Entrup von der Umweltorganisation OceanCare. Das Wattenmeer sei dabei ein besonders sensibles Ökosystem, da es seicht ist. So vermenge sich das Öl schneller mit dem Wasser und dem Meeresboden. «Nicht nur die Seevögel, sondern auch die Fische und die Meeressäugetiere sind beim Austritt von Schweröl bedroht.» Es könne Jahrzehnte dauern, bis das Öl abgebaut ist. Dazu kämen noch die Autobestandteile, die sowohl bei den Verbrennern, als auch bei den Elektrofahrzeugen Auswirkungen auf die Umwelt hätten. «Ich hoffe wirklich, dass die Rettungskräfte erfolgreich sind. Unbeschadet wird die lokale Region aber nicht davon kommen», befürchtet Entrup.
«Das könnte eine Umweltkatastrophe für die Nordsee und das Wattenmeer bedeuten», bestätigt ein Sprecher der Stiftung De Noordzee am Mittwoch der niederländischen Nachrichtenagentur ANP. Die Sorge ist, dass Treibstoff und die Ladung ins Meer und auf den Meeresboden gelangen könnten. Auch der Bürgermeister von Ameland, Leo Pieter Stoel sowie sein Amtskollege der deutschen Nordseeinsel Borkum, Jürgen Akkermann, sind besorgt. Der Müll könnte das Wattenmeer und die Küste der Inseln verseuchen.
Auf Borkum weckt der aktuell brennende Frachter unterdessen Erinnerungen an eine Umweltkatastrophe Anfang 2019. Damals hatte das Schiff «MSC Zoe» mit 8000 Containern an Bord in der stürmischen Nordsee auf der Fahrt nach Bremerhaven 342 Container verloren. Die meisten zerbarsten beim Aufprall auf dem Wasser, in der Folge trieb tonnenweise Müll an die Strände. Betroffen waren vor allem die niederländischen Watteninseln sowie Borkum.
Von dem brennenden Auto-Frachter ist nach Angaben der japanischen Reederei Kawasaki Kisen Kaisha zumindest grossflächig kein Öl ausgetreten. Das Unternehmen habe bislang keine Kenntnisse, dass es eine Ölverschmutzung gebe. Das teilte das Unternehmen mit Sitz in Tokio am Mittwoch mit. Der Familie des Toten sprach die Reederei ihr aufrichtiges Beileid aus. Der Frachter befindet sich vor der niederländischen Insel Ameland.
Gibt es Gaffer?
Auch auf dem offenen Meer scheint man vor Gaffern nicht verschont. Die niederländische Küstenwache teilt auf Twitter mit, es seien mehrere private Flugzeuge auf dem Weg zum Frachter. Da diese die Löscharbeiten behindern würden, fordert die Küstenwache die Piloten dazu auf, wieder umzudrehen.
Offenbar hat der Tweet Wirkung gezeigt. Laut der Flugtracking-Website «Flightradar24» befinden sich momentan in der Region des brennenden Schiffes keine privaten Flugzeuge.