Seit 2011 wütet in Syrien der Bürgerkrieg. Bilanz: 380'000 Menschen sind tot, rund die Hälfte der Bevölkerung des Landes vertrieben. Vom Widerstand gegen Baschar al-Assad (54) ist nicht mehr viel übrig. Die Truppen des Diktators haben die letzte Bastion der Rebellen im Visier – Idlib. Vom Ende des Konflikts ist man aber weit entfernt, noch immer wird heftig gekämpft. Das Land gleicht einem Flickenteppich.
Am Dienstag schossen von der Türkei unterstützte islamistische Rebellen einen Militärhelikopter von Assad ab – einen in Russland hergestellten Mi-17-Helikopter. Ein Video zeigt, wie dieser in Flammen steht und im Sturzflug Richtung Boden geht. Kurz vor dem Aufprall zerschellt der Helikopter noch in der Luft.
101 Ziele zerstört
Der Abschuss ereignete sich, als Rebellen zur Stadt Nairab vorstiessen – dabei wurden sie von türkischer Artillerie unterstützt. Laut «Daily Mail» bestätigten zwei Rebellenkommandeure, dass sie den Helikopter mit Raketen vom Himmel holten.
Der Angriff ereignete sich einen Tag nach dem Tod von fünf türkischen Soldaten bei einem Regierungsangriff. Das türkische Militär schlug sofort zurück. Beim Gegenschlag wurden 101 Ziele auf syrischer Seite zerstört – darunter drei Panzer.
Erdogan droht mit Vergeltung
Im Falle weiterer Angriffe Syriens auf türkische Soldaten droht Präsident Recep Tayyip Erdogan (65) mit Vergeltungsschläge auch jenseits der umkämpften Rebellenhochburg Idlib an. «Da wo das Blut unserer Soldaten vergossen wird, ist keiner sicher, egal, für wie gross er sich hält», sagte Erdogan am Mittwoch während einer Rede vor Mitgliedern seiner Regierungspartei AKP.
Wenn den türkischen Soldaten in ihren Beobachtungsposten oder anderen Orten auch nur der kleinste Schaden zugefügt werde, dann werden wir ab heute die Kräfte des Regimes überall angreifen, ohne an Idlib oder die Grenzen des Sotschi-Abkommens gebunden zu sein, sagte Erdogan. Bei seiner Rede wurde er mehrfach von Applaus unterbrochen.
Sotschi-Abkommen
Der Hinweis auf das Sotschi-Abkommen bezieht sich auf eine Einigung zwischen der Türkei und Russland als Schutzmacht Syriens. Damit sollte unter anderem in der Rebellenhochburg eine Deeskalationszone eingerichtet werden. Die Türkei, die im syrischen Bürgerkrieg islamistische Rebellen unterstützt, richtete dort Beobachtungsposten ein. Dennoch begann das syrische Militär eine Offensive auf Idlib. In den vergangenen Tagen hatte es grosse Geländegewinne gemeldet.
Dabei waren binnen einer Woche auch mehrere türkische Soldaten getötet worden; Erdogan sprach am Mittwoch von 14 Toten und 45 Verletzten. Die Türkei startete daraufhin Gegenangriffe und gab an, zahlreiche syrische Soldaten getötet zu haben.
Hunderttausende auf der Flucht
Erdogan erwähnte erneut ein auf Ende Februar befristetes Ultimatum, das er Damaskus bereits vor rund einer Woche gestellt hatte. Die Türkei sei entschlossen, das syrische Militär bis Ende Februar wieder hinter die Grenzen des im Sotschi-Abkommen festgelegten Gebietes zu treiben, sagte er. Deswegen habe die Regierung in den vergangenen Tagen ihre militärische Präsenz in Idlib ernsthaft ausgebaut.
Hunderttausende Menschen sind wegen der syrischen und russischen Angriffe auf der Flucht, viele in Richtung türkische Grenze. Das hatte in der Türkei, die bereits Millionen Flüchtlinge beherbergt, Bedenken ausgelöst. Erdogan warf Syrien und seinen Unterstützern Massaker vor. Sie zielten nicht auf Terroristen, sondern direkt auf Zivilisten ab. Sie wollten sie Richtung türkische Grenzen drängen. (SDA/bra)