Von Kamelen zu Menschen
Nasenabstriche bei Kamelen zur Vorbeugung einer Mers-Pandemie

Die Atemwegserkrankung Middle East Respiratory Syndrome, kurz Mers, hatte 2012 für Schlagzeilen gesorgt. Mehr als 850 Menschen starben daran. In Kenia wird derzeit befürchtet, der Erreger, der unter Kamelen grassiert, könnte mutieren und auf Menschen übergehen.
Publiziert: 30.04.2021 um 14:57 Uhr
Zoonose-Kontrolle im International Livestock Research Institute (ILRI) in Machakos, Kenia. Kamele sind ein Zwischenwirt und das Mers-Virus ist unter ihnen weit verbreitet. Sollte es mutieren, würde es auch Menschen befallen und eine Pandemie auslösen, die weit schlimmer wäre als Covid-19 (AFP).
Foto: TONY KARUMBA

Nelson Kipchirchir macht einen Nasenabstrich. Doch er testet keinen Menschen, sondern ein Kamel, und auch nicht auf Sars-CoV-2, sondern auf den Erreger der Atemwegserkrankung Mers. Damit der kenianische Tierarzt den Teststab im Nasenflügel des verängstigten Dromedars drehen kann, müssen drei Männer das 300 Kilogramm schwere Tier festhalten.

Doch die Untersuchung ist unumgänglich für die Forschung am Mers-Syndrom, das von einem anderen Coronavirus ausgelöst wird und viel tödlicher ist als Covid-19. Der Mers-Erreger könnte die nächste globale Pandemie auslösen.

Kipchirchir und seine Kollegen befürchten, dass der Erreger, der seit einiger Zeit unter Kamelen und in geringerem Masse auch unter ihren Besitzern zirkuliert, mutieren und von den Hirtengemeinden auf die allgemeine Bevölkerung überspringen könnte.

«Die Probenentnahmen sind schwierig, weil man nie weiss, was passiert», sagt Kipchirchir in der Kapiti-Ebene im Süden Kenias. Ein Kamel sei unberechenbar. «Wenn man einen Fehler macht, kann es einen treten oder beissen.» An diesem nebligen Morgen bekommt ein Kamelführer einen heftigen Tritt von einem der Tiere, die auf der riesigen Kapiti-Ranch mit 13'000 Hektar untersucht werden.

Hier in Kapiti, einer Forschungsstation des International Livestock Research Institute (Ilri) mit Hauptsitz in Nairobi, untersuchen Wissenschaftler Wildtiere, Vieh und Schafe. 2013 begann das Ilri mit der Forschung an Kamelen in Kenia. Ein Jahr zuvor war Mers in Saudi-Arabien ausgebrochen. Das von einem Coronavirus ausgelöste Syndrom hat eine Todesrate von rund 35 Prozent bei den Infizierten.

Fledermäuse, Schuppentiere, Geflügel als mögliche Quelle für Krankheiten: Die Covid-19-Pandemie, die in 16 Monaten mehr als 3,15 Millionen Menschen weltweit getötet hat, schärfte den Blick auf die sogenannten Zoonosen - also von Tieren übertragene Krankheiten. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) machen sie rund 60 Prozent der Infektionskrankheiten beim Menschen aus.

Auch Mers kann von Wirbeltieren auf Menschen übertragen werden und sprang wahrscheinlich zunächst von Fledermäusen auf Kamele über. Beim Menschen verursacht es mit Fieber, Husten und Atembeschwerden ähnliche Symptome wie Covid-19.

Das wissenschaftliche Beratergremium der Vereinten Nationen für Biodiversität (Ipbes) warnte 2020, Pandemien könnten häufiger und tödlicher werden, wenn Menschen, Vieh und Wildtiere aufgrund von Umweltzerstörung und Klimawandel mehr Kontakt miteinander hätten. Bis zu 850'000 Viren können demnach potenziell auch Menschen befallen. Jedes Jahr könnten fünf neue Krankheiten ausbrechen, von denen jede das Potenzial zur Pandemie hätte.

«Es gibt ein neu erwachtes Interesse an allem, was mit Viren und zoonotischen Krankheiten zu tun hat, wegen der ganzen Covid-Problematik», sagt Eric Fevre, Spezialist für Infektionskrankheiten beim Ilri. In Kenia gibt es mit etwa drei Millionen Kamelen eine der grössten Populationen weltweit. In trockenen Gebieten werden sie aufgrund häufigerer Dürren immer beliebter.

«Ein Kamel ist sehr wichtig», sagt Isaac Mohamed, einer der Hirten in Kapiti. «Es kann bei einer Dürre nicht sterben und bis zu 30 Tage ohne Wasser auskommen.» Gleichzeitig wächst die Nachfrage nach Kamelmilch und Kamelfleisch.

2014 fand eine Studie bei 46 Prozent der untersuchten Kamele und fünf Prozent der Kamelführer und Schlachthofmitarbeiter Mers-Antikörper. «Das Mers, das wir gegenwärtig in Kenia haben, ist nicht einfach auf den Menschen übertragbar» - im Vergleich zu der Variante in Saudi-Arabien, sagt die Biologin Alice Kiyong'a. Doch das Virus verändere sich ständig, betont Fevre: «Es ist genau wie bei Covid.» (SDA)

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