Nach dem erneuten Angriff auf eine Schule in Nigeria haben Eltern und Angehörige am Wochenende vergeblich auf ein Lebenszeichen der mehr als 300 verschleppten Schülerinnen gewartet. Eine gemeinsame Suchaktion von Polizei und Militär brachte zunächst kein Ergebnis. Die Freilassung von Dutzenden früheren Entführungsopfern konnte das Entsetzen nur kurze Zeit mildern. Papst Franziskus verurteilte am Sonntag in Rom die «abscheuliche» Tat.
Von den insgesamt 317 entführten Schülerinnen der Government Girls Science Secondary School in Jangebe im nordwestnigerianischen Bundesstaat Zamfara fehlte auch am Samstag jede Spur. Augenzeugenberichten zufolge hatten «bewaffnete Banditen» das Internat in der Nacht zum Freitag überfallen und die Mädchen aus den Schlafsälen geholt; rund 50 von ihnen gelang die Flucht. Die Stimmung in dem Dorf ist seitdem angespannt, viele Angehörige trauen der Regierung nicht zu, die Mädchen gesund wieder zurückzubringen.
Mehrere hundert Kilometer weiter südlich empfing der Gouverneur des Bundesstaats Niger, Abubakar Sani Bello, zur gleichen Zeit Dutzende Schüler und Lehrer, die Mitte Februar bei einem weiteren Angriff auf eine Sekundarschule in Kagara verschleppt worden waren. Laut seinem Sprecher sind die - nach jüngster Zählung 38 - Opfer den Umständen entsprechend wohlauf. Über die Umstände ihrer Freilassung machten die Behörden zunächst keine Angaben.
Bereits im Dezember waren mehr als 300 Jungen einer Schule in Kankara im Bundesstaat Katsina verschleppt worden. Sie kamen ebenfalls später wieder auf freien Fuss.
Seit Jahren mehren sich die Angriffe krimineller Banden im Nordwesten und im Zentrum Nigerias. Die in Nigeria als «Banditen» bezeichneten Gangs entführen Menschen, um Lösegeld zu erpressen, und sind für Plünderungen und Vergewaltigungen verantwortlich.
80 Prozent der Einwohner in den betroffenen Regionen leben in extremer Armut, Aussichten auf Besserung gibt es so gut wie keine. Deshalb schliessen sich immer mehr junge Männer den Banden an. Wieviele dieser Banden es inzwischen gibt, ist unklar. Schätzungen eines Nigeria-Experten der International Crisis Group (ICG) zufolge gibt es allein in Zamfara 40 Banden; einige von ihnen hätten inzwischen hunderte Mitglieder.
Die Banden haben in der Regel keine bekannten ideologischen Ausrichtungen. Es gibt jedoch wachsende Bedenken, dass sie mit Dschihadisten aus dem Nordosten kooperieren könnten. Diese kämpfen seit Jahren für die Errichtung eines islamischen Staats.
Die Entführungen in den betroffenen Regionen führen nach ICG-Angaben zu einer wachsenden Zahl von Kindern und darunter besonders Mädchen, die keine Schule besuchen können. Schon heute leben in den Regionen demnach die weltweit meisten Kinder ohne jede Schuldbildung.
(AFP)